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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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in Ohnmacht fallen, was sie aber nicht zuließ, indem sie mich anherrschte und so mein Schwindelgefühl vertrieb. Dann wuschen wir Minnie und die Babys, legten frische Laken auf und weichten die blutigen ein. Mrs. Crego braute Minnie einen Tee aus Fenchelsamen, Distel und Hopfen, um ihren Milchfluß anzuregen. Sie riet mir, mich zu setzen und wieder zu Atem zu kommen. Was ich auch tat. Ich schloß die Augen, weil ich mich einen Moment ausruhen wollte, aber ich mußte eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder öffnete, sah ich Minnie eines der Babys stillen und roch den Duft von frischen Brötchen und Suppe, die auf dem Herd köchelte.
    Mrs. Crego reichte mir eine Tasse Tee und legte mir den Handrücken auf die Stirn. »Du siehst mitgenommener aus als Minnie«, sagte sie lachend. Auch Minnie lachte.
    Ich lachte nicht. »Ich werde nie heiraten«, sagte ich. »Nie.«
    Â»Ach wirklich?«
    Â»Nein, nie.«
    Â»Na, das werden wir schon sehen«, antwortete Mrs. Crego begütigend. »Der Schmerz läßt nach, Mattie. und die Erinnerung verblaßt. Eines Tages hat Minnie das alles vergessen.«
    Â»Sie vielleicht, aber ich nicht.«
    Auf der Veranda waren Schritte zu hören, dann trat Jim ein und rief nach seinem Abendessen. Er verstummte, als er mich, Mrs. Crego und seine Frau mit zwei Babys im Bett liegen sah.
    Â»Sie haben einen Sohn«, sagte Mrs. Crego, »und eine Tochter.«
    Â»Min?« fragte er flüsternd und wartete, daß sie ihm dies bestätigte.
    Minnie versuchte, etwas zu sagen, brachte aber nichts heraus und reichte ihm statt dessen eines der Babys. Die Gemütsbewegung in seinem Gesicht und die Blicke, die er und Minnie austauschten, waren so intensiv und offen, daß ich wegsehen mußte. Es gehörte sich nicht, daß ich dies mitbekam.
    Ich rutschte auf meinem Stuhl herum, kam mir unbeholfen und fehl am Platz vor und hörte das Knistern des Briefs in meiner Tasche. Ich war so aufgeregt gewesen, weil ich Minnie alles übers Barnard erzählen wollte, aber das schien im Moment nicht mehr so wichtig zu sein.
    Ich starrte in meine Teetasse und fragte mich, wie es wohl war, jemanden zu haben, der einen liebte, wie Jim Minnie liebte, und zwei winzige Wesen sein eigen zu nennen, für die man sorgen konnte.
    Ich fragte mich, ob dies oder ob Wörter und Geschichten das Wichtigste im Leben waren. Miss Wilcox hatte Bücher, aber keine Familie. Minnie hatte jetzt eine Familie, aber die beiden Babys würden sie lange Zeit vom Lesen abhalten. Einige Menschen wie meine Tante Josie und Alvah Dunning, der Eremit, hatten weder Liebe noch Bücher. Niemand, den ich kannte, hatte beides.

Weh •mütig kla • gend
    Â»Gibst du so das Geld aus, das du von mir kriegst. Indem du kindische Reime erfindest?«
    Ich schreckte auf beim Klang der ärgerlichen Stimme und wußte einen Moment lang nicht, wo ich war. Meine Augen gewöhnten sich an das helle Lampenlicht, ich sah das Aufsatzheft unter meiner Hand. daneben mein Lexikon, das auf der Seite meines Wortes des Tages aufgeschlagen war, und stellte fest, daß ich am Küchentisch eingeschlafen war.
    Â»Antworte mir, Mattie!«
    Ich setzte mich auf. »Was Pa? Welches Geld?« murmelte ich und sah ihn blinzelnd an.
    Wut stand ihm im Gesicht, und aus seinem Mund kam eine Alkoholfahne. Trotz meiner Schlaftrunkenheit erinnerte ich mich, daß er am Nachmittag nach Old Forge gegangen war, um seinen Sirup zu verkaufen. Zwölf Gallonen hatte er gehabt. Daraus hatten wir fast fünfhundert Gallonen Saft gekocht. Wenn er verkaufen ging, pflegte er einen der Saloons aufzusuchen. wo er sich von seinen Einkünften ein oder zwei Gläser Whiskey und ein paar Gespräche unter Männern erlaubte. Gewöhnlich kam er nicht vor Mitternacht zurück. Eigentlich wollte ich lange vorher im Bett sein.
    Â»Das Haushaltsgeld! Die fünfzig Cents, die ich dir für einen Sack Maismehl gegeben hab! Sind die dafür draufgegangen?«
    Bevor ich ihm antworten konnte, packte er mein neues Aufsatzheft und riß das Gedicht heraus, das ich geschrieben hatte.
    Â»â€ºâ€¦ein Eistaucher singt sein klagend Lied, und in den Fichtenzweigen der Wind leise spielt …««, las er vor. Dann knüllte er die Seite zusammen, öffnete die Ofentür und warf sie ins Feuer.
    Â»Bitte, Pa, nicht! Ich hab das Haushaltsgeld nicht dafür verwendet. Ich schwör’s. Das Maismehl

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