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Das Licht des Nordens

Das Licht des Nordens

Titel: Das Licht des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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meisten Holzarbeiter verdienten weniger als einen Dollar am Tag, ein guter Ruderer jedoch bekam dreieinhalb, manchmal vier, und Pa war einer der besten.
    Doch Mama wollte keine Entschuldigungen hören. Sie war wütend. Sie wolle überhaupt nicht mehr. daß er in die Wälder gehe, sagte sie, sondern daß er bei ihrem Vater in der Sägemühle arbeite. Sie könnten in Inlet wohnen, sagte sie, direkt im Dorf, in der Nähe von Josie. Er würde gutes Geld verdienen, und die Kinder hätten es näher zur Schule. Alles würde leichter werden.
    Â»Niemals, Ellen«, antwortete er. »Du sollst wissen. daß du mich darum gar nicht zu bitten brauchst.«
    Â»Papa hat gesagt, er würde alles vergeben, Michael. und uns helfen.«
    Â»Er
würde vergeben? Was denn vergeben? Mir vergeben, daß ich mich in dich verliebt hab?«
    Â»Daß wir weggelaufen sind. Nicht …«
    Â»Ich
müßte ihm vergeben, nicht umgekehrt. Er ist derjenige, der mich als nichtsnutzigen französischen Abschaum bezeichnet hat. Er ist derjenige, der gesagt hat, daß ihm lieber wäre, du wärst tot als mit mir verheiratet.«
    Â»Was hast du denn vor, Michael? Willst du mich zur Witwe machen? Ich will nicht, daß du auf einem Boot arbeitest!«
    Â»Ich werde nicht für deinen Vater arbeiten, und ich werde nicht …« Pa kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden, weil Mama ihm eine Ohrfeige gab. Eine saftige. Meine Mama, die ihm gegenüber nicht mal die Stimme hob. Sie gab ihm eine Ohrfeige, zog ihren Mantel an. ließ uns unsere Mäntel anziehen, setzte uns am Bahnhof auf einen Pritschenwagen und bezahlte den Kutscher, damit er uns zu Tante Josie brachte.
    Drei Wochen blieben wir bei Tante Josie, und zwei Wochen ließ sie meinen Vater nicht einmal ins Haus. Aber eines Tages kam Pa an die Tür, schob Tante Josie einfach beiseite und zwang Mama, einen Spaziergang mit ihm zu machen. Lawton brüllte irgendwas Gemeines, weil er nicht wollte, daß sie mitging. Als sie wieder zurückkamen, gab Mama Pa all ihren Schmuck – all die schönen Sachen, die sie vor ihrer Ehe von ihren Eltern bekommen hatte. Pa ging zu Tuttle’s, einem Gebrauchtwarenladen in Old Forge, und machte alles zu Bargeld. Und kurz darauf rodete er die Bäume auf den vierundzwanzig Hektar Land, die er in Eagle Bay gekauft hatte. Aus den gefällten Bäumen baute er uns ein Haus – ein richtiges Haus, keine schäbige Holzhütte mit einem Dach aus Tannenrinde. Bei Hess. Sägemühle in Inlet, nicht im Werk meines Großvaters oder Onkels, ließ er die Bäume zu Brettern schneiden und baute außerdem auch noch einen Stall, eine Räucher- und eine Kühlkammer. Und obwohl er im Winter weiterhin in den Wäldern arbeitete, um Geld dazuzuverdienen, arbeitete er nie mehr bei der Holzverflößung.
    Â»Und noch was«, fuhr mein Onkel fort, »warum bringst du deinen Mädchen nischt Französisch bei?«
    Â»Dafür haben sie keine Verwendung«, erwiderte Pa schroff. »Und ich auch nicht.«
    Â»Aber es sind französische Mädchen, Michel. Sie sind Gauthiers, und heißen nischt Gokey. Gokey! Was zum Teufel soll Gokey denn sein?«
    Pa seufzte. »So spricht man es hier eben aus. So haben sie es bei der Steuerbehörde eingetragen. Es ist einfacher, Francis. Das hab ich dir doch schon alles erklärt. Mein Gott, du bist eine schreckliche Nervensäge. Nie kannst du irgendwas auf sich beruhen lassen.«
    Â»Isch? Und das muß isch mir gerade von dir sagen lassen! Sie ist fort, Michel. Deine Ellen, sie ist tot.«
    Â»Das weiß ich, Francis.«
    Â»Aber du läßt sie nischt gehen! Dein Herz blutet immer noch, und du leidest wie ein Tier. Das seh isch in deinem Gesicht, in deinen Augen. Wie du gehst. Wie du redest. Sie ist fort, aber du bist noch hier, Michel. und deine Mädchen sind auch noch hier. Kannst du das denn nischt sehen?«
    Â»Noch was, womit du mich in den Wahnsinn treiben willst, Fran?«
    Â»Ja, da gibt’s noch was. Warum ist dein Sohn fortgegangen, ha?«
    Pa antwortete nicht.
    Â»Isch glaub, isch weiß schon. Weil du ein elender Mistkerl bist, glaub isch. Das seh isch doch. Du warst ja nie ein besonders lustiger Kumpan, Michel, aber immer noch besser als das, was du jetzt bist. Was zum Teufel is’ denn los mit dir? Deine Mädschen, die haben doch auch jemand verloren, nämlich ihre Mutter und dann ihren

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