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Das Licht des Orakels

Titel: Das Licht des Orakels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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der Tod auszusehen.«
    Bryn zwang sich, die Wolkendecke ihrer Verzweiflung beiseite zu schieben und ein bisschen zu lächeln.
    »Mir geht es viel besser. Jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr, nicht zu putzen. Aber du musst mich morgens trotzdem noch wecken.«
    Dawn legte den Arm um sie und drückte sie kurz.
    Sobald die Danksagung gesprochen worden war, stach Eloises Stimme in Bryns Ohren. »Jedes Mal, wenn ich denke, ich bin das Ungeziefer los, sehe ich wieder eine Ratte.«
    »Die kommen einfach aus den Steinen gekrochen«,
    stichelte Clea zur Antwort. Narda stimmte heiser krächzend und Charis zwitschernd in ihr Gelächter ein.
    Dawn hatte gerade eine Tasse in der Hand, die sie nun mit solcher Wucht niedersetzte, dass sie zersplitterte und die Milch verspritzte. »Wisst ihr eigentlich«, sagte sie mit immer lauter werdender Stimme in die plötzliche Stille, »dass Spechte den ganzen Tag nach Larven suchen? Und dass Kühe lieber Abfall fressen als alles andere, während Geier ganz besonders wild auf Maden sind?«
    Der ganze Speisesaal schien vor Schreck zu versteifen.
    Die Helferinnen saßen mit offenem Mund da, ganz besonders Eloise, die vom Specht erwählt worden war.
    Dann fing Alyce, die gerade einen Schluck Milch im Mund hatte, hilflos an zu prusten. Jacinta klopfte ihr auf den Rücken und versuchte ihr damit zu helfen, während sie selbst in Gekicher ausbrach. Auch Willow stimmte in das stürmische Gelächter ein. Als Dawn die drei, die ihr gegenübersaßen, ansah, verschwanden die Falten auf ihrer Stirn und sie stieß einen Juchzer aus.
    Mit lautem Stimmengewirr setzten die Gespräche wieder ein. Bryn gab sich die größte Mühe, zusammen mit ihren Freundinnen zu lachen, doch es kam nur ein trockenes Schluchzen heraus. Sie versuchte das, so gut sie konnte, zu verbergen, und legte die Hände vors Gesicht, während sich die anderen den Bauch vor Lachen hielten. Aber so konnte wenigstens niemand hören, wie sie weinte.
    Mühsam unterdrückte sie das Schluchzen und blickte auf. Zwei ältere Helferinnen steuerten mit Tischbesen und ernsten Mienen auf ihren Tisch zu, fegten die Scherben von Dawns zertrümmerter Tasse zusammen und
    stellten ihr zum Ersatz eine neue hin. Und während sie die verspritzte Milch aufwischten, murmelten sie etwas von Unbedachtheit.
     
    Während der weiteren Mahlzeit brauchte nur eine der Helferinnen etwas von Larven oder Würmern zu flüstern und schon drohten die anderen vor Lachen an ihrem Essen zu ersticken. Selbst die Unheil drohenden Blicke der Federn konnten sie nicht stoppen.
    Bolivar wurde zunehmend frustrierter. Er war durch die Straßen von Bewel gestreift, hatte die Bewohner ausgefragt und gehofft, etwas über Selid zu erfahren. Zusammen mit Finian und Garth war er tags zuvor, am Tag der Sonnwendfeier, am späten Nachmittag eingetroffen. In Vorbereitung auf die Festlichkeiten hatten viele Läden geschlossen, und viel zu viele der Bewohner hatten ihr Fest damit begonnen, schon früh starken Wein zu trinken.
    Bolivar wünschte, er könnte die Zeichen des Tempels tragen, dann waren die einfachen Leute normalerweise ihm gegenüber respektvoller. Die Narren, mit denen er sprach, waren kaum noch als höflich zu bezeichnen. Eine junge Schreiberin? Nein, wirklich nicht, sie wussten nichts von einer jungen Frau, die möglicherweise irgendwann im letzten Frühjahr hier aufgetaucht sein sollte.
    Finian und Garth erging es nicht besser. Als die Festlichkeiten zu Solz’ Ehren wirklich begannen, wurde der Lärm in den Straßen so laut, dass die drei glaubten, der Kopf müsste ihnen zerspringen. Sie beschränkten sich darauf, das Kommen und Gehen der Leute zu beobachten, wobei sie hofften, Selid durch Zufall zu entdecken.
    Finian war mürrisch, weil er die Gilgamelltruppe versäumte, und Bolivar musste den jungen Soldaten energisch verdonnern, keine Humpen voll Wein von Vorübergehenden anzunehmen.

Nun war es der Nachmittag des folgenden Tages. Die Stadt hatte den größten Teil des Vormittags fast wie verlassen gewirkt und die Läden waren fest verschlossen.
     
    Unzufrieden und hungrig fand Bolivar schließlich eine Bäckerei, die gerade aufmachte. Er bat um ein Dutzend warmer Butterbrötchen. Da die Bäckersfrau ausgesprochen freundlich war, nahm Bolivar die Chance war, seine Frage nach der Schreiberin wieder zu stellen. Die Frau antwortete erfreut: »Oh, Ihr sucht offenbar Zera, die mit Lance dem Schreiner verheiratet ist. Sie übernimmt hin und wieder ein paar

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