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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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er, ist das wahr? Ich kann so ein Glück haben? Er machte sich über den Stapel her wie eine Ratte über eine Mülltonne. Bleak House, Oliver Twist… noch mal Bleak House. Herzen in Aufruhr… der verdammte Beowulf…
    Und dann kam es. Unglaublich, mitten in Chengdu, der Hauptstadt von Szechuan, Südwestchina… Tobias Smollett… Roderick Random. Es gibt einen Gott, und er liebt mich, dachte Neal. Er riß das Buch an sich, bevor es in einem Opiumtraum verschwinden konnte.
    »Das ist es«, sagte er.
    »Ich habe nie davon gehört.«
    »Werden Sie.«
    »Gut. Gehen wir.«
    »Ich möchte zwei Bücher.«
    »Nicht sicher. Zu offensichtlich.«
    »Bitte.«
    »Lieber nicht.«
    »Habe ich Ihnen schon von ›Motherfucker‹ erzählt?«
    »Aber nur zwei.«
    Neal nahm Huckleberry Finn aus dem Regal.
    »Haben Sie eines?« fragte er.
    Wu wurde rot. »Nein.«
    »Bitte. Mein Geschenk.«
    »Eine Ehre.« Wu verbeugte sich tief und schnell. »Jetzt los.«
    Wu nahm zwei dünne chinesische Bücher im Verkaufsraum auf und packte die englischen dazwischen, bevor er sie zum Kassierer brachte. Er holte Geld aus Neals Geldbörse, zahlte die Rechnung und sie gingen schnell hinaus in die Sonne.
    »Vielen, vielen Dank für das Buch«, sagte er.
    »Vielen Dank, daß Sie mich hergebracht haben. Ist das ein Problem? Ist es sicher für Sie, das Buch zu haben?«
    »Ich denke schon, jetzt.«
    Wu brachte Neal auf sein Zimmer und sagte, er würde ihn um neun am nächsten Morgen abholen. Falls Neal irgendwelche Illusionen über seinen Status hätte, hörte er das Schloß klicken, nachdem die Tür zu war.
    Der menschliche Geist ist eine merkwürdige Sache, dachte Neal. Als er in der Nische in der Geschlossenen Stadt gelegen hatte, wollte er nur von dort weg. Er hätte alles dafür gegeben – sein Herz, seinen Geist, seine Seele –, um aus dieser Hölle erlöst zu werden. Als Li Lan gekommen war, war er ihr erleichtert und dankbar gefolgt. Während der langen, schläfrigen Tage seiner Genesung hatte er es genossen, umsorgt zu werden, bis erst sein Körper und der Geist gesund wurden.
    Aber jetzt war sein Geist gesund, und das witzige war, daß er nicht glücklich war. Er hatte alles, wonach er sich in Hongkong gesehnt hatte. Er wurde gut behandelt, war nicht in Gefahr – er hatte sogar ein Buch –, aber er dachte an andere Dinge.
    An Joe Graham. Neal hatte ihn auf der Straße in San Francisco in dem Glauben abgehängt, es ginge um Tage oder Wochen, nicht Monate, bevor er seinen Mentor Wiedersehen würde. Graham mußte verrückt werden vor Sorge, dachte Neal. So wie er Graham kannte – und er kannte Graham –, würde der Zwerg ihm nach Hongkong gefolgt sein, vielleicht hatte er ihm sogar bis zur Geschlossenen Stadt nachspüren können, vielleicht machte er jetzt gerade Deals, um ihn zu finden und zu befreien. Aber selbst Graham konnte nicht rausbekommen, daß er in Chengdu war, mit einer neuen Identität, und daß seine Wärter-Gastgeber ihn irgend jemandem präsentieren wollten. Was war das überhaupt für ein Spiel? Er glaubte diese Neue-Identitäts-Nummer keine Sekunde. Sie hatten ihn aus einem Grund hier, und Neal bekam das Gefühl, sie warteten darauf, daß etwas passierte, um zu entscheiden, was sie tun wollten.
    Das war das dritte, was ihm Sorgen machte. Er war eine Spielfigur geworden, die andere nach ihrem Willen hin- und herschoben. Verdammt, dachte er, er hatte nichts mehr getan, seit er die Flaschen vom Dach geschmissen hatte. Sie hatten ihn zusammengeschlagen, sein Selbstbewußtsein gebrochen, und er erholte sich gerade davon. Es war Zeit, wieder mitzuspielen, Zeit, etwas zu tun, um sein eigenes Leben wiederzubekommen.
    Mit Roderick Random und einem Stift begann er zu arbeiten. Er arbeitete noch, als der Kellner mit dem Dinner kam. Er aß, dann nahm er das Buch mit und las, während er im heißen Badewasser lag, und dann setzte er sich zurück an den Tisch und arbeitete. Er nahm das Buch mit zu Bett, wachte mit ihm auf der Brust auf, als der Kellner mit der Tasse auf dem Frühstückstablett klirrte. 
     
    »Machen Sie heute wieder einen Ausflug mit ihm?« fragte Xao. Er zündete sich früh am Morgen schon die zweite Zigarette an.
    »Ja, Genosse Sekretär«, entgegnete Peng.
    »Gestern hat ihn niemand beschattet?«
    »Nur unsere eigenen Leute.«
    »Sind Sie ganz sicher?«
    »Ja, Genosse Sekretär.«
    Oh, ja, Genosse Sekretär. Ich bin ganz sicher. Niemand hat ihn beschattet, weil ich es niemandem befohlen habe.
    Xao inhalierte den Rauch

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