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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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sonderlich störte. Drei Monate war er eingesperrt gewesen, es war schön, draußen in der warmen Sonne zu sein. Es war wunderbar, zu gehen. Zuerst taten seine Beine weh, er mußte oft pausieren. Aber dann schienen seine Beine aus ihrem langen Schlaf zu erwachen.
    Und das mußten sie auch, denn Wu schien nicht zu wollen, daß sein Gast auch nur einen Tempel, Schrein, Park, Panda oder eine seltene Bambuspflanze der Stadt versäumte.
    Manches war toll, wie der erste wunderbare Morgen. Neal war wie ein Kind am Weihnachtstag aus dem Bett gesprungen, hatte das Frühstück heruntergeschlungen und war eine halbe Stunde, bevor Wu an der Tür klopfte, fertig angezogen. Wu war ebenfalls aufgeregt. Dies war sein erster wichtiger Job, erklärte er, und er gestand, daß es erst das zweite Mal war, daß er in einem Auto fuhr. Er scheuchte Neal durch die Hotel-Lobby in den wartenden Wagen. Der Fahrer war ein Mann in einer grünen Mao-Jacke, und er gab sich solche Mühe, nicht zuzuhören, daß Neal ihn augenblicklich als Lauscher ausmachte.
    Wu legte los.
    »Jetzt können Sie die Außenseite des Jinjiang-Gästehauses sehen«, sagte er, noch bevor der Fahrer den Motor gestartet hatte.
    »Ganz nett, mal etwas von außen zu sehen«, sagte Neal. Selbst wenn das Jingjiang-Gästehaus ein langweiliger, rechteckiger Betonklotz war.
    »Die Russen haben es designed«, sagte Wu, als könnte er Neals Gedanken lesen. Er gab dem Fahrer einige Anweisungen.
    Am ersten Tag fuhren sie am Ufer des Nan River zum Cao-tang Park, der »Heimat des großen Tang-Dynastie-Dichters Du Fu«, wie Wu erläuterte, als sie ausstiegen. Sie gingen ein paar Minuten zu Fuß und kamen zu einem kleinen Schrein neben einem Bächlein. Wu erklärte, der Schrein sei zu Ehren Du Fus erbaut worden, und er war nur deswegen nicht von den Roten Garden zerstört worden, weil Mao selbst einst zwei Zeilen geschrieben hatte, um den großen Dichter zu ehren.
    Wu übersetzte Neal einige Gedichte, und den Rest des Vormittags spazierten sie durch den Park. Nach einem kleinen Nudel-Lunch fuhren sie mit dem Wagen in einen anderen Park.
    »Nanjiao Park«, sagte Wu. »Hier steht der Schrein von Zhu Geliang.«
    Neal kannte seinen Text. »Wer war Zhu Geliang?«
    »Sie werden sehen.«
    Sie gingen einen Pfad entlang und erreichten einen großen roten Schrein, in dem eine große Soldatenfigur an die Wand gemalt war.
    »Zhu Geliang war ein großer Militärstratege in der Zeit der drei Königreiche, die dem Untergang der Han-Dynastie folgte. Chengdu war die Hauptstadt eines der drei Königreiche, Shu Han.«
    »Wann war das?«
    »Zhu lebte von 181 bis 234, aber der Schrein wurde erst während der Tang-Dynastie erbaut.«
    »Als Du Fu schrieb.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis. Der große Vorsitzende Mao ließ den Schrein 1952 komplett restaurieren. Er war ein großer Bewunderer von Zhus Militärstrategien, und er schickte junge Soldaten her, um seine Werke zu studieren.«
    Neal sah sich um. Ein paar junge Soldaten schrieben mit ernsten Mienen etwas von den Wänden in kleine Notizbücher ab.
    Vom Schrein aus gingen sie zu einem nahegelegenen Tee-Pavillon. Die Kellnerin goß ihnen heißes Wasser in die kleine Kanne auf dem Tisch. Wu ließ es eine Minute ziehen, dann kippte er es auf den Boden. Die grünen Teeblätter blieben in der Kanne kleben. Die Kellnerin goß heißes Wasser nach. Wu wiederholte den Prozeß. Nach dem dritten Wiederauffüllen schenkte er Neal und dann sich selbst ein.
    »Das erste Mal ist es Wasser«, sagte er, »das zweite Mal Müll, und erst das dritte Mal Tee.«
    Sie tranken ein paar Tassen Tee, redeten über Huckleberry Finn und Die Arglosen im Ausland, klagten einander ihr College-Leid. Wu hatte an der Szechuan Universität Literatur und Tourismus studiert. Sein Vater war Englisch-Professor gewesen, dafür ins Gefängnis geworfen worden, und arbeitete jetzt als Zimmerkellner in einem Hotel in Chengdu. Aber die Behörden hatten begriffen, daß sie Leute brauchten, die englisch sprachen, und so hatten sie Wu auserkoren, zur Uni zu gehen. Sofort danach bekam er einen Job beim CITS, dem China International Travel Service. Wu wollte unbedingt Nationalreiseführer werden, Mitglied der Elite-Kader, die Reisegruppen durch das ganze Land begleiteten.
    »Im Moment«, erklärte er, »bin ich nur ein Stadtführer. Ich darf nur in Szechuan arbeiten. Aber ich würde gerne den Rest Chinas sehen, vor allem Peking und Xian.«
    »Sie haben Ihren Vater ins Gefängnis gesteckt, weil er Englisch

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