Das Liebesleben der Hyäne
mißachtet und auf der ganzen Strecke die Geschwindigkeitsbegrenzung drastisch überschritten. Der Parkplatz war voll. Ich fand keine Lücke mehr. Vor einem Lastenaufzug gab es noch einen Platz, gerade groß genug für einen VW. Auf dem Asphalt stand in großen Lettern: NO PARKING. Ich parkte. Noch vierzehn Minuten. Als ich die Wagentür abschloß, fiel mir die Lesebrille aus der Hemdtasche und zerschellte am Boden.
Ich rannte die Treppen hinunter, über die Straße, dann rein und an den Schalter der Fluggesellschaft. »Henry Chinaski. Ich habe einen Flug reserviert …« Der Angestellte schrieb mir das Ticket aus, und ich zahlte. »Ich habe übrigens Ihre Bücher gelesen«, sagte er.
Ich hetzte hinauf zur Sicherheitskontrolle. Der Summer ertönte. Ich hatte zuviel Kleingeld in den Taschen, plus sieben Schlüssel und ein Taschenmesser. Ich nahm das alles heraus, legte es ihnen aufs Tablett und ging nochmal durch.
Noch fünf Minuten. Flugsteig 42.
Alle saßen schon, als ich ins Flugzeug kam. Noch drei Minuten. Ich fand meinen Platz und schnallte mich an. Aus den Lautsprechern kam die Stimme des Flugkapitäns.
Wir rollten zum Runway, und dann hoben wir ab, schwebten hinaus über den Ozean und kurvten in weitem Bogen zurück, landeinwärts.
54
Ich kam als letzter aus dem Flugzeug, und da stand Joanna Dover. »Mein Gott!« sagte sie und lachte. »Du siehst ja schauerlich aus!«
»Joanna, laß uns eine Bloody Mary trinken, während wir auf mein Gepäck warten. Ach verdammt – ich hab ja gar kein Gepäck. Aber eine Bloody Mary sollten wir trotzdem trinken.«
Wir gingen in die Bar und setzten uns.
»So kommst du nie nach Paris«, meinte sie.
»Ich bin nicht versessen auf die Franzosen. Ich bin gebürtiger Deutscher, wie du weißt.«
»Ich hoffe, es wird dir bei mir gefallen. Das Haus ist nichts Besonderes. Aber es hat zwei Stockwerke. Jede Menge Platz.«
»Hauptsache, wir landen im gleichen Bett.«
»Ich hab auch Farben da.«
»Farben?«
»Ich meine, falls du malen willst.«
»Scheiß drauf. Trotzdem, vielen Dank. Komm ich dir bei irgendwas dazwischen?«
»Nein. Ich hatte was mit einem Automechaniker, aber der hat schlapp gemacht. Konnte nicht mithalten.«
»Laß mich auch mal verschnaufen, Joanna. Ficken und Lutschen ist nicht alles.«
»Deshalb hab ich ja die Farben. Für deine Ruhepausen.«
»Bei dir hat man wirklich alle Hände voll zu tun. Mal ganz abgesehen von den einszweiundachtzig.«
»Gott, wem sagst du das.«
»Wir fuhren zu ihr nach Hause. Das Haus gefiel mir. Rollos an sämtlichen Fenstern und Türen. Die Fenster waren groß und ließen sich nach außen öffnen. Alte Möbel, keine Teppiche auf den Fußböden, zwei Badezimmer, eine Menge Tische in allen Größen. Einfach, aber wohnlich.«
»Geh dich duschen«, sagte Joanna.
Ich lachte. »Ich hab keine Kleider dabei. Nur das, was du an mir siehst.«
»Wir besorgen dir morgen noch was zum Anziehen. Wenn du geduscht hast, führe ich dich zum Essen aus. Ich kenne ein gutes Fischrestaurant.«
»Mit Alkoholausschank?«
»Du Arschloch.«
Ich duschte nicht. Ich nahm ein Bad.
Wir fuhren eine ziemliche Strecke. Ich stellte fest, daß Galveston auf einer Insel lag. Das war mir neu.
»Die Dope-Schmuggler kapern inzwischen die Garnelenboote draußen auf dem Meer«, sagte Joanna. »Sie killen alle Mann an Bord, und dann schmuggeln sie den Stoff rein. Das ist mit ein Grund, warum Garnelen immer teurer werden. Der Job wird zu gefährlich. Und wie geht’s in deiner Branche?«
»Ich glaube, für mich ist es gelaufen. Ich hab in letzter Zeit nichts mehr geschrieben.«
»Wie lang schon nicht mehr?«
»Sechs oder sieben Tage.«
Joanna fuhr sehr schnell, aber man merkte, daß sie es nicht in der Absicht tat, das Gesetz herauszufordern. Sie fuhr schnell, als stehe ihr das zu.
Schließlich bog sie in einen Parkplatz ein. »Hier ist es«, sagte sie.
Wir bekamen einen Tisch für uns allein. Es war angenehm kühl und still im Lokal, und die Beleuchtung beschränkte sich auf das Notwendigste. Ich entschied mich für einen Hummer. Joanna bestellte sich etwas Ausgefallenes. Sie bestellte es auf Französisch. Sie war kultiviert, weitgereist. Bildung, auch wenn ich darüber die Nase rümpfte, war eben bisweilen doch von Nutzen. Besonders wenn man eine Speisekarte studierte. Ich kam mir bei diesen Kellnern immer minderwertig vor. Die Kellner lasen alle Truman Capote. Ich las die Rennergebnisse.
Es war ein gutes Dinner. Draußen auf dem Golf waren die
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