Das Liebesleben der Hyäne
unter dem Tisch die Hand und rieb ihren Schenkel an meinem. Sie schien eine größere Hand zu haben als ich. Es hatte mich immer peinlich berührt, daß meine Hände im Vergleich zu meinen sonstigen Körpermaßen reichlich klein ausgefallen waren. Als junger Mensch hatte ich bei meinen Kneipenschlägereien in Philadelphia sehr schnell herausgefunden, wie wichtig die Handschuhgröße sein konnte. Daß es mir trotzdem gelang, ein knappes Drittel meiner Faustkämpfe zu gewinnen, war einigermaßen erstaunlich. Jedenfalls, Cassie ging anscheinend davon aus, daß sie den anderen beiden überlegen war, und ich ließ sie gern in ihrem Glauben, auch wenn ich ihr nicht unbedingt recht geben konnte.
Dann mußte ich auf die Bühne. Es war wieder dasselbe Publikum, doch an diesem Abend hatte ich die nötige Konzentration und traf es besser. Die Leute erwärmten sich zusehends, gingen mit, ließen sich begeistern. Manchmal waren sie es, die einen Auftritt zum Erfolg werden ließen, und manchmal mußte man es selbst machen. Gewöhnlich das letztere. Es war eine Frage der Einstellung, wie beim Boxen – wenn man nicht mit dem Bewußtsein ranging, daß man ihnen etwas schuldig war, gehörte man da oben nicht hin. Ich ließ die Linke herauszucken und blockte ab und fintete, und in der letzten Runde ging ich voll heraus und schlug den Ringrichter k.o. Eine gelungene Vorstellung, die sie nach meiner Pleite vom vergangenen Abend sicherlich nicht erwartet hatten. Mich überraschte sie jedenfalls sehr.
Cassie wartete an der Bar auf mich. Sara steckte mir einen Zettel zu, auf dem eine Liebeserklärung stand und darunter ihre Telefonnummer. Debra war nicht so einfallsreich – sie schrieb mir nur ihre Telefonnummer auf. Für einen Augenblick mußte ich zu meiner Verwunderung an Katherine denken. Dann bestellte ich Cassie einen Drink. Ich würde Katherine nicht mehr zu sehen bekommen. Meine kleine Texanerin. Die Frau meiner Träume. Goodbye, Katherine.
»Sag mal, Cassie, kannst du mich nach Hause fahren? Ich hab zuviel Schlagseite. Noch eine Anzeige wegen Trunkenheit am Steuer, und ich bin erledigt.«
»Klar. Ich fahr dich nach Hause. Was machst du mit deinem Wagen?«
»Scheiß drauf. Den laß ich hier.«
Wir gingen zusammen hinaus und stiegen in ihren M. G. Es war wie in einem Film. Ich erwartete jeden Augenblick, daß sie mich an der nächsten Ecke raussetzen würde. Sie war Mitte Zwanzig, und während der Fahrt erzählte sie mir, daß sie für eine Plattenfirma arbeitete. Es mache ihr Spaß, sie müsse erst um 10.30 Uhr zur Arbeit erscheinen, und nachmittags um 3 sei Feierabend.
»Nicht schlecht«, sagte sie. »Der Job gefällt mir. Ich bin inzwischen in einer leitenden Position, ich kann Leute einstellen und entlassen, nur brauchte ich bis jetzt noch keinen zu entlassen. Es sind alles tüchtige Leute, und wir haben schon ein paar hervorragende Schallplatten herausgebracht …«
Bei mir zu Hause holte ich den Wodka heraus. Cassie hatte sehr langes Haar. Es reichte ihr fast bis zum Hintern. Für solches Haar hatte ich eine Schwäche.
»Heute abend hast du wirklich gut gelesen«, sagte sie. »Du warst wie ausgewechselt im Vergleich zu gestern. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber wenn du in Bestform bist, hast du so eine menschliche Art … Die meisten Dichter sind muffige arrogante Scheißer.«
»Ich kann sie auch nicht leiden.«
»Und sie können dich nicht leiden.«
Wir tranken einiges, dann gingen wir zu Bett. Sie hatte einen märchenhaften Körper, wie etwas aus dem ›Playboy‹, doch ich war leider betrunken. Ich kriegte ihn zwar hoch, wir kamen in Fahrt, ich packte ihr langes Haar, zog es unter ihr hervor und wühlte es durch und war erregt, aber ich brachte es trotzdem nicht. Ich rutschte von Cassie herunter, sagte ihr gute Nacht und schlief schuldbewußt ein.
Am nächsten Morgen wachten wir gegen 10 Uhr auf. Mir war unbehaglich zumute. Ich war sicher, Cassie würde mich nicht wiedersehen wollen. Wir zogen uns an, gingen hinaus zu ihrem M. G. und stiegen ein. Keiner sagte etwas. Das Schweigen war mir peinlich, aber es gab nichts zu sagen. Wir fuhren zurück zum »Lancer«. Mein blauer VW stand noch da.
»Danke für alles, Cassie. Und denk jetzt nicht schlecht von Chinaski.«
Sie gab keine Antwort. Ich küßte sie auf die Wange und stieg aus. Sie fuhr los und verschwand mit ihrem M. G. Es war eben doch so, wie Lydia oft gesagt hatte: »Wenn du trinken willst, dann trink. Wenn du ficken willst, dann schmeiß
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