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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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Reise, stimmt’s? Durch die Wüste fahren und den Tempel von Ramses sehen.«
    Serena lächelte fröhlich. »Gut. Keine Geister mehr. Zwei Tage weg sein. Ein hartes Besichtigungs-Programm, um uns abzulenken.«
    Anna runzelte die Stirn. »Du musst mir verzeihen. Es ist meine Schuld, dass du da hineingeraten bist.«
    »Nein. Es ist niemandes Schuld. Schließlich interessiere ich mich für ägyptische Magie und Religion. Abgesehen davon, habe ich es selbst angeboten.« Serena lächelte wieder. »Es ist nur ein bisschen übermächtig geworden, deshalb will ich ein, zwei Tage Abstand gewinnen. Aber du sollst jetzt bitte nicht denken, dass mich die Sache kalt lässt. Ich fühle mich nur einfach so entkräftet.
    Ich habe so etwas noch nie erlebt. Ich werde da sein, wenn irgendetwas passiert, im Reisebus oder in der Wüste oder in Abu Simbel. Aber ich hoffe, es passiert nichts. Dann dachte ich, vielleicht, wenn wir zurückkommen – wir haben noch einen Tag zur Besichtigung von Philae, bevor wir zurück nach Luxor kreuzen –, können wir in Philae noch einmal etwas versuchen.
    Philae ist immerhin der Tempel der Isis.«
    »Du bist großartig«, warf Anna ein. »Ich habe viel von dir gelernt.« Sie legte ihre Hand auf das Amulett, das an einer Kette um ihren Hals hing. »Du glaubst also, er wird uns nicht nach Abu Simbel verfolgen?«
    Es entstand ein kurzes Schweigen. Serena beobachtete eine Feluke, die mit der Strömung an ihnen vorbeifuhr. Der Steuermann saß verträumt im Heck, sein Arm hing lässig über der Ruderpinne. Das Boot war voller großer Kartons und sie dachte plötzlich an den Kontrast zwischen ihm und einem entsprechenden Lieferanten in London, der mit seinem Lieferwagen durch die verstopften Straßen fuhr. Sie lächelte und blickte zu Anna zurück. »Nein, ich glaube nicht, dass er nach Abu Simbel kommt. Ich hoffe nicht«, sagte sie schließlich. »Ich wünschte, wir wüssten, was mit Louisa Shelley geschah. Sie hat es durchgestanden. Sie hat es geschafft.«
    Anna nickte traurig. »Ich glaube, es macht mich unglücklich, nicht zu wissen, was geschah. Ich denke immerzu an sie. Aber wie du sagst, sie hat es geschafft. Sie kehrte nach Hause zurück und nahm ihr Leben wieder auf.«
    Aber was wurde mit Hassan? Die Frage ging ihr immer öfter durch den Kopf. Und was war mit den Priestern Anhotep und Hatsek? Sie hatten Louisa mit ihrem Spuk verfolgt, so wie sie ihre Ururenkelin verfolgten. Wie hatte sie es zuwege gebracht, dass sie sie in Ruhe ließen? Eine neue Welle der Frustration und der Wut erfasste sie, als sie an das Tagebuch dachte. Sie seufzte.
    Mehrere Minuten standen die zwei Frauen schweigend und in Gedanken versunken da, und erst als Serena sich zum Gehen wandte und einen Stuhl suchte, merkte Anna, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte. Sie würde morgen nicht mit dem Bus fahren. In letzter Minute würde sie ihre Meinung ändern und allein auf dem Schiff zurückbleiben. Damit würde sie zwei Tage gewinnen, an denen sie ungestört suchen konnte.
    Nach Abu Simbel konnte sie immer noch ein andermal fahren.
    Sie vergaß für einen Moment, dass die Priester der Isis und Sekhmet wahrscheinlich mit ihr an Bord bleiben würden.

11
    Heil euch, o göttliche Wesen,
    ihr göttlichen Herren alles Seienden,
    die ihr ewig lebtet und deren doppelte Lebensspanne einer unbegrenzten Zahl von Jahren Ewigkeit ist…
    O weist mir einen Weg, auf dem ich in Frieden wandeln kann.

    Die Kinder werden krank. Ihre Kraft verfliegt mit dem Wüstenwind, Ihr Drang, nach alten Welten zu graben und die Schätze in längst verlassenen Gräbern zu suchen, ist erloschen.
    Ihre Mutter sorgt für sie und verbirgt den Kummer in ihrem Herzen.
    Das Fläschchen ist vergessen – in den dunklen Winkel der Bauernhütte dringt kein Lichtstrahl. Seine Wächter sind unsichtbar, jenseits von Zeit und Raum, deren Bestimmung sie sich entziehen, ohne Fleisch und Knochen, ohne Grab oder Grabbeigaben oder Namen.
    Der jüngere Knabe stirbt zuerst, seine Seele ist ausgesaugt.
    Sein Körper wird im Sand begraben und mit Tränen begossen.
    Dann wird auch der Ältere zum letzten Mal krank. Während e r auf seinem Lager im Fieber liegt, sieht er die Priester, wie sie über ihm hocken, spürt, wie sie gierig den Atem seines Lebens

    verschlingen, und er weiß, dass er es war, der sie ins Haus gebracht hat. Er versucht eine Warnung zuflüstern, doch die Worte werden ihm von den trockenen Lippen des Todes geraubt.
    Bald wird die Mutter den Gutenachtkuss der

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