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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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aus und griff nach der Tasche, die Fruchtsaft, Wasser und Lederbecher enthielt. Plötzlich runzelte er die Stirn. »Was ist das, Louisa?«
    »Das Parfümfläschchen. Ich wusste nicht, wo ich es verstecken sollte. Selbst dein Versteck auf dem Schiff war zu auffällig und ich konnte nicht herankommen, ohne gesehen zu werden.«
    Hassan schauderte. »Es ist dreimal verflucht, meine Louisa.
    Du solltest es nicht mehr berühren.«
    »Ich weiß.« Die kleine Flasche war in Seide eingeschlagen und mit einem langen Band verschnürt. Sie lag in seiner offenen Hand und Louisa sah sie an. »Dass so ein kleiner Gegenstand so viel Unheil anrichten kann.«
    Hinter ihnen in der Dunkelheit rührte sich etwas. Keiner von ihnen bemerkte es, beide betrachteten das kleine umwickelte Päckchen. »Es war dein Geschenk für mich«, sagte Louisa mit einer ungläubigen Kopfbewegung. »Ganz am Anfang.«
    Er nickte. »Ich habe dich geliebt, meine Louisa, gleich vom ersten Moment an, als ich dich sah. Aber du warst eine englische Dame und ich nur ein Führer von niedriger Herkunft.«
    »Nicht niedrig, Hassan. Warum niedrig?«
    Er zuckte die Achseln. »So sehen deine Landsleute die Ägypter nun mal an, meine Louisa.« Er lächelte. »Und vielleicht, wenn wir ehrlich sind, meine Landsleute auch deine Landsleute, Inschallah! «
    Die Schatten in der Höhle waren sehr dunkel. Hinter ihnen führte ein Gang ins Ungewisse, tief ins Herz des Berges.
    »Was immer unsere Völker empfinden, du warst mein Freund, und jetzt bist du mein Geliebter.« Sie rückte an ihn heran und ihre Lippen berührten sich. Langsam glitten sie auf den Teppich. Sie hatten nur noch Augen füreinander, deshalb sahen sie auf dem steinigen Sandboden der Höhle weder die schlängelnde Bewegung, noch hörten sie das trockene Rascheln der Schuppen.
    Es war eine junge Schlange, vielleicht nur gut einen Meter lang und sehr schnell. Sie ließ Louisa außer Acht und ging auf den Mann los, der immer noch das Parfümfläschchen in der Hand hielt.
    Als er den plötzlichen Schmerz der giftigen Zähne spürte, sprang Hassan auf und fuhr herum. Das Fläschchen flog durch die Luft und rollte ans eine Ende des Teppichs. Einen Moment lang sah er auf die Wunde an seinem Arm, nah an der Schulter, dann entfuhr ihm ein Angstschrei. Sein Gesicht verzerrte sich vor Qual und Trauer, als er Louisa anblickte.
    »Hassan!« Sie hatte die Schlange nur eine Sekunde lang gesehen. Schon war sie zwischen den Steinen außer Sicht geglitten. »Hassan, was soll ich tun?« Sie umschlang ihn. »Sag schnell! Was soll ich tun?«
    Sein Gesicht war grau geworden. Kalter Schweiß brach aus seiner Haut hervor. Er blickte sie starr an, sein Gesicht nahm plötzlich einen gebannten Ausdruck an, seine Augen waren auf ihre gerichtet, er rang nach Atem und griff sich an die Brust.
    »Louisa! Meine Louisa!« Die Worte kamen undeutlich, da die Muskeln um seinen Mund sich zusammenzogen und erstarrten.
    Er sackte auf seine Knie und krümmte sich. Die Haut um seinen Mund verfärbte sich blau, als er seitwärts auf den Höhlenboden fiel.
    »Hassan!« Sie starrte ungläubig auf ihn hinunter. »Hassan, sprich mit mir!« Sacht berührte sie seine Schulter mit einem Finger, wagte kaum zu atmen. »Hassan, Liebster. Sprich zu mir…« Ihre Stimme verlor sich in der Stille, als sie neben ihm niederkniete. Er schnappte immer noch nach Luft. Dann brach er rückwärts auf dem Teppich zusammen, unfähig sich zu rühren.
    Eine Lähmung schien langsam von ihm Besitz zu ergreifen, während er aus dämmrigen Augen zu ihr aufschaute. Dann, zwischen einem gepeinigten Atemzug und dem nächsten, hörte sein Herz auf zu schlagen.
    »Hassan!« Ihr erstickter Schrei war so leise, dass er die heißen Schatten in der Höhle kaum störte.
    Sie wusste nicht, wie lange sie neben seinem Körper ausge-harrt hatte. Die Sonne wanderte weiter, sodass sie nicht mehr in die Höhlenöffnung schien, die Hitze aber blieb drückend. Sie weinte, dann saß sie nur da und starrte ins Leere. Sie hatte keine Angst, dass die Schlange zurückkehren könnte. Die Dienerin der Götter hatte ihr Werk getan und war in das Reich zurückgekehrt, aus dem sie kam.
    Schließlich bewegte sich Louisa. Sie beugte sich hinunter und küsste die armen gemarterten Gesichtszüge und die Wunde, die bereits schwarz und brandig war. Dann faltete sie den Teppich über sein Gesicht und flüsterte ein stilles Gebet. Unbeholfen stand sie auf, blieb einen Moment so stehen, von Trauer überwältigt. Sie

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