Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
Thomas an die Brust geworfen.
Macius musterte Thomas, der die ganze Szene ruhig und aufmerksam beobachtet hatte. Ich bewunderte ihn dafür, dass er die Nerven behielt.
»Du heißt also Thomas.«
»Ja. Thomas Peters.«
»Hast du ihn eingeweiht?«, wandte sich Macius nun wieder an mich. Der Themenwechsel kam etwas abrupt, aber ich war in gewisser Weise froh, dass ich mich nicht weiter zum Affen machen musste.
»Worin eingeweiht?«, meldete sich Thomas zu Wort. Meinen Knuff, der ihm bedeutete, dass er lieber schweigen sollte, ignorierte er. »Dass es irgendwelche fliegenden Monster gibt, die Mädchen zerfleischen?«
»Nicht nur Mädchen«, entgegnete Macius, nachdem er seufzend zu Pheme geblickt hatte.
Klar, Thomas passte ihnen nicht ins Konzept. Würden sie ihn jetzt einfrieren oder seine Erinnerung löschen?
Der Gedanke, dass sie ihm auch die Erinnerung an mich nehmen könnten, gefiel mir jedenfalls gar nicht. Aber vielleicht wäre das das Beste für Thomas, schließlich hatte er mit diesem ganzen Mist nichts zu tun.
»Diese Monster, wie du sie genannt hast, sind nur ein kleiner Teil des Bösen, das uns bedroht. Denn bisher haben sich die Harpyien an die Regeln gehalten und keine Menschen getötet, sie sind nicht mal am helllichten Tage aufgetaucht. Doch offenbar befinden wir uns nun in einem Spiel, in dem die alten Regeln nicht mehr gelten.« Macius machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort. »Da du die Harpyien gesehen hast, gibt es für dich keinen Weg mehr zurück.«
Was sollte das heißen? Wollten sie Thomas jetzt »blitzdingsen« oder so was? Sein Gedächtnis löschen? Das war es doch, was Außerirdische in Filmen immer taten, wenn sie ihre Existenz verschleiern wollten. Ich konnte mir kaum was Schrecklicheres vorstellen.
»Das könnt ihr nicht machen!«, platzte es hysterisch aus mir heraus. »Er hat euch nichts getan und wird auch nichts tun!«
Ich krallte beide Hände in seinen Ärmel, als sei er eine überdimensionale Flickenpuppe. »Hier, seht, er ist keine Bedrohung für euch. Er wird freiwillig vergessen, was er mitbekommen hat, stimmt’s? Ihr braucht nicht sein Gedächtnis löschen oder so was.«
Thomas’ Adamsapfel hüpfte plötzlich nervös auf und ab. Erschrocken sah er mich an.
Mein Magen zog und zwickte vor Angst. Vielleicht ging ja nur meine Fantasie mit mir durch, aber …
»Wer sagt denn etwas von Gedächtnis löschen?«, entgegnete Macius verwundert und leicht ärgerlich zugleich. »Du hättest mich ausreden lassen sollen, bevor du anfängst, hier hektisch rumzukreischen.«
Aha, weil er bisher ja auch so vertrauenerweckend gewesen war!
»Ich meinte mit meiner Bemerkung lediglich, dass Thomas nicht wieder zurück in sein altes Leben kann – genauso, wie du. Er wird uns begleiten und uns helfen.«
»Wie soll er uns denn helfen?«
Hatte ich übersehen, dass Thomas unter seinen Klamotten einen Superheldenanzug trug?
»Alle Götterkinder haben eine Schwäche – sie können von anderen, geübten Götterkindern ausfindig gemacht werden. Menschen hingegen halten sie im ersten Moment nicht für eine Bedrohung. Ja, der Kodex schreibt sogar vor, dass Menschen nicht behelligt werden dürfen. Das ist der Grund, warum wir uns nie einem von euch zu erkennen geben würden – normalerweise.«
Ja, mir war klar, dass ich es verbockt hatte. Aber hätte ich denn wissen können, dass Thomas in seiner überbordenden Fürsorge wieder nach mir sehen würde? Noch dazu genau im falschen Moment?
»Thomas hat Wissen über uns erlangt, also ist es nur zu seinem eigenen Schutz, wenn er mit uns zusammenarbeitet.« Macius richtete den Blick auf meinen Begleiter und bemühte sich sichtlich um ein vertrauenerweckendes Lächeln. »Ich werde dir unterwegs alles erklären, was du wissen musst. Vielleicht kannst du dich nützlich machen.«
»Ähm, wohin reisen wir denn?«
»In meine Heimat, nach Polen. Aileen hat sehr viel nachzuholen, was die Kenntnisse über ihresgleichen angeht. Wir brauchen einen sicheren Ort für ihre Ausbildung, und den gibt es nur in Warschau.«
»Warschau?« Thomas zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Was ist mit meinem Job? Ich kann mich nicht einfach zu einem Kurztrip absetzen, ohne dem Meister Bescheid zu sagen.«
»Ich fürchte, das wirst du tun müssen. Zu unserer Sicherheit, ebenso wie zu der deines Meisters und deiner Kollegen. Unsere Feinde werden nichts unversucht lassen, um uns zu finden. Je weniger andere von unserem Unternehmen wissen, desto besser.«
»Aber
Weitere Kostenlose Bücher