Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
ich könnte ihnen sagen …« Thomas brach ab. Er sah ein, dass es keinen Zweck hatte, und senkte seufzend den Kopf.
Ich fühlte mich auf einmal schuldig.
Thomas hatte seine Gesellenstelle und mit allem eigentlich nichts zu tun. Sein Fehler war nur, sich um mich zu sorgen. Verdammter Mist!
»Alles klar so weit?«, hakte Macius noch einmal nach.
Thomas und ich nickten beinahe gleichzeitig. Was blieb uns anderes übrig?
»Also gut, verlieren wir keine Zeit mehr!« Pheme rieb in offensichtlicher Vorfreude die Hände aneinander und trat an eine der Kisten, auf denen Macius und ich vor einigen Stunden gesessen hatten und die ich für leer gehalten hatte.
Wie ich im nächsten Augenblick sah, verbargen sich darin allerdings Waffen.
Echte Waffen!
»Was ist das?«, fragte ich Macius entgeistert.
»Sieht man das denn nicht? Waffen!«
»Aber das sind Maschinengewehre und Pistolen! Mitten in Berlin!«
»Warum sollte man so was nicht hier finden?«
»Was, wenn jemand hier reingekommen wäre und die Kisten geplündert hätte? Abgesehen davon, helfen diese Schießeisen überhaupt?«
»Das tun sie. Jedenfalls gegen die Harpyien. Natürlich wäre es besser, sie nicht einzusetzen, aber manchmal hat man keine andere Wahl.«
Ich war schon versucht, empört zu fragen, warum er mir dann nicht gleich eine dieser Kanonen mitgegeben hatte, als Macius weiterredete.
»Was das Entdecken angeht, sind wir durchaus in der Lage, auf einen Ort einen magischen Bann zu legen, der es Menschen unmöglich macht, uns und unsere Besitztümer zu sehen. Was meinst du, wie die Kobold e in Irland ihr Gold schützen.«
»Kobolde? Das ist doch nicht dein Ernst!«
Macius’ Blick sagte alles. Offenbar musste ich mich damit abfinden, dass ich im Wunderland gelandet war. Dabei hieß ich nicht mal Alice!
Während Pheme die Waffen in den Wagen lud, wandte sich Thomas an mich.
»Das ist sein Ernst, oder?«
»Sein voller Ernst.«
»Verdammt. Der Meister wird uns umlegen, wenn wir morgen nicht aufkreuzen.«
»Ich glaube, mittlerweile ist das unsere kleinste Sorge. Wenn uns diese Flügelviecher zu fassen bekommen, muss sich der Meister so oder so andere Tischler suchen.«
Thomas nickte grimmig. Weitere Worte waren zwischen uns nicht nötig, wir verstanden uns auch so.
»Wo bleibt ihr?«, rief eine Stimme, dann röhrte der Motor auf.
»Komm«, raunte ich Thomas zu, griff nach seiner Hand und ging mit ihm los. Hinein in ein Abenteuer, das wir ganz bestimmt nicht gewollt hatten.
S ie ist ihnen entkommen?« Carmilla blickte verwirrt auf die Harpyien, die nun wieder in ihren Käfigen hockten.
Ein paar von ihnen wirkten angeschlagen, eine hatte einen langen Riss über der Brust. Nie hätte die Lamie erwartet, dass man Harpyien verletzen konnte.
»Sie hatte großes Glück«, entgegnete der Wächter. »Und sie hatte Hilfe. Ein Mensch hat ihr beigestanden, wie mir Akalabeth mitgeteilt hat.«
Die verletzte Harpyie krächzte, als ihr Name fiel.
»Ein Mensch!«, schnaubte Carmilla abschätzig. »Als ob ein Mensch die Macht hätte, sie aufzuhalten. Nicht einmal einer von uns würde das wagen.«
»Vielleicht unterschätzen wir die Kräfte der Menschen, vielleicht auch den Einfluss der Bastarde auf sie. Aber wie dem auch sei, sie werden mir nicht entkommen.«
»Was wollt Ihr jetzt tun, Gebieter?«
»Wir werden sie verfolgen. Es ist gewiss, dass sie fliehen werden, aber das ist vielleicht zu unserem Vorteil.«
Die Lamie sah überrascht zu ihrem Herrn auf, doch der Wächter ignorierte ihre stumme Frage.
»Geh und sag deinen Brüdern und Schwestern Bescheid, auf dass sie sich an die Fersen dieser Kreaturen heften. Ich will wissen, wo sie hingehen.«
Carmilla warf noch einen kurzen Blick auf die Harpyien, dann zog sie sich mit einer Verbeugung zurück.
Der Wächter beobachtete, wie ihre Gestalt in der Dunkelheit verblasste.
Die Menschen waren gescheitert und die Harpyien auch. Vielleicht brauchte er Verbündete, auf die mehr Verlass war …
Im Kopf ging er all die Wesen durch, die den Lenden der Götter entsprungen waren. Nyx hatte viele Kinder: gefährlich, bösartig, missgestaltet, aber bestens geeignet für seine Pläne.
Ein verhaltenes Lächeln huschte über seine versteinerten Züge.
9. Kapitel
D er Mustang brauste in Richtung polnische Grenze, vorbei an abgeernteten Feldern und Wäldern, die wie eine Patchworkdecke aus roten, gelben und braunen Flicken wirkten. Phemes Fahrstil zeigte deutlich, dass sie so etwas wie Verkehrsregeln entweder
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