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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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mathematische Hilfsmittel
verzichtete und die Siegel nach Augenmaß in das Holz schnitzte, würde diese Aufgabe ungefähr ein Jahr in Anspruch nehmen.
    Doch wenn er in die Runde blickte und all die vielen Bücher sah, wusste er, dass sich diese Mühe auf jeden Fall lohnte. Ronnell hatte ihm uneingeschränkten Zugang zu der Sammlung versprochen, und das hieß, dass er für den Rest seines Lebens die Bücherei benutzen durfte, egal, ob tagsüber oder bei Nacht.
    Als Ronnell den begeisterten Gesichtsausdruck des Jungen bemerkte, musste er schmunzeln. Plötzlich kam ihm eine Idee, und er nahm Cob beiseite; Arlen war viel zu sehr in seine eigenen Betrachtungen versunken, als dass ihm dies aufgefallen wäre.
    »Ist dieser Junge ein Lehrling oder ein Diener?«, erkundigte sich der Fürsorger.
    »Er gehört der Händlerkaste an, wenn es das ist, was du wissen willst«, erwiderte Cob.
    Ronnell nickte. »Wer sind seine Eltern?«
    Cob zuckte die Achseln. »Er hat keine. Zumindest nicht in Miln.«
    »Dann entscheidest du für ihn?«
    »Ich würde sagen, dass Arlen seine eigenen Entscheidungen trifft.«
    »Ist er versprochen?«, hakte der Fürsorger nach.
    Darauf also wollte er hinaus! »Du bist nicht der Erste, der mich das fragt, seit meine Geschäfte so gut gehen. Selbst ein paar Mitglieder der herzoglichen Familie haben ihre hübschen Töchter vorbeigeschickt, damit sie ihn beschnuppern. Aber das Mädchen, dem es gelingt, ihn lange genug von seinen Büchern abzulenken, damit er sie bemerkt, muss erst noch geboren werden. Ich glaube nicht, dass es solch eine Frau gibt.«

    »Ich kenne das Gefühl«, entgegnete Ronnell und deutete auf ein junges Mädchen, das an einem der vielen Tische saß; vor ihr lagen verstreut ein halbes Dutzend aufgeschlagener Bücher.
    »Mery, komm bitte her!«, rief er. Das Mädchen hob den Kopf, dann markierte sie rasch die Seiten und legte die Wälzer zu einem akkuraten Stapel aufeinander, ehe sie sich zu Cob und Ronnell gesellte. Sie schien ungefähr so alt zu sein wie Arlen, der mittlerweile vierzehn war, und sie hatte große braune Augen und glänzendes, langes, braunes Haar. Auf ihrem weichen, runden Gesicht lag ein strahlendes Lächeln. Ihr schlichtes Kleid war beschmutzt vom Staub der Bücherei, doch sie raffte anmutig die Röcke, als sie einen Knicks andeutete.
    »Bannzeichnermeister Cob, das ist meine Tochter, Mery«, stellte Ronnell sie vor.
    Das Mädchen stutzte und sah Cob plötzlich voller Interesse an. » Der berühmte Bannzeichnermeister Cob?«, vergewisserte sie sich.
    »Ach, du kennst meine Arbeit?«
    »Nein, das nicht«, Mery schüttelte den Kopf, »aber ich habe gehört, dass deine Grimoire-Kollektion die beste und vollständigste der Welt sein soll.«
    Cob lachte. »Das könnte noch richtig spannend werden, Fürsorger Ronnell«, meinte er.
    Der Fürsorger beugte sich zu seiner Tochter hinunter und wies mit dem Finger auf Arlen. »Der junge Arlen da drüben ist Meister Cobs Lehrling. Er wird die Bibliothek mit Schutzzeichen versehen. Ich schlage vor, du führst ihn herum und zeigst ihm alles.«
    Mery beobachtete Arlen, der die Umgebung staunend in sich aufnahm und gar nicht merkte, wie das Mädchen ihn anstarrte. Sein ungepflegtes blondes Haar war zu lang und bedurfte dringend
eines ordentlichen Schnitts. Zwar trug er teure Kleidung, doch die war fleckig und zerknittert. Aber der Blick in seinen Augen zeugte von Scharfsinn und Intelligenz. Er hatte glatte, ebenmäßige Gesichtszüge und war insgesamt eine recht ansehnliche Erscheinung. Cob hörte, wie Ronnell ein Gebet murmelte, als Mery ihre Röcke zurechtzupfte und zu Arlen hinüberging.
    Arlen schien gar nicht mitzubekommen, dass sie sich ihm näherte. »Guten Tag«, grüßte sie artig.
    »Tag«, erwiderte er geistesabwesend und versuchte angestrengt, aus leicht zusammengekniffenen Augen die Schrift auf dem Rücken eines Buches zu entziffern, das auf einem der obersten Regalbretter stand.
    Mery runzelte die Stirn. »Ich heiße Mery«, fuhr sie fort. »Der Fürsorger Ronnell ist mein Vater.«
    »Arlen«, nuschelte er, nahm ein Buch von einem Regal und begann andächtig darin zu blättern.
    »Mein Vater hat mich gebeten, dir die Bibliothek zu zeigen«, ergänzte Mery.
    »Danke«, erwiderte Arlen, stellte das Buch an seinen Platz zurück und steuerte an einer Reihe von Regalen vorbei auf einen Teil der Bibliothek zu, die mit einer Kordel vom übrigen Bereich abgetrennt war. Mery blieb nichts anderes übrig, als ihm mit ärgerlicher

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