Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
Waffe zurückziehen konnte. Er zog einmal kräftig daran, Arlen verlor die Balance und fiel in den Schnee.
    »Ragen, sei vorsichtig!«, ermahnte Elissa ihren Mann und hüllte sich fester in ihr Umschlagtuch, denn der Morgen war bitterkalt. »Du könntest ihn verletzen!«
    »Er springt sanfter mit dem Jungen um als jeder Horcling, Lady Elissa«, wandte Cob mit so lauter Stimme ein, dass Arlen ihn hören konnte. »Der lange Speer dient dazu, die Dämonen auf Abstand zu halten, wenn man den Rückzug antritt. Er ist eine Verteidigungswaffe. Kuriere, die zu aggressiv damit umgehen, wie der junge Arlen, überleben nicht lange. Zu meiner Zeit habe ich derlei oft genug gesehen. Einmal, als wir unterwegs nach Lakton waren …«
    Arlen verdrehte die Augen. Cob war ein guter Lehrer, aber er neigte dazu, seinen Unterricht mit makabren Geschichten vom Tod anderer Kuriere auszuschmücken. Dadurch wollte er Arlens Übermut dämpfen, doch seine Worte bewirkten das genaue Gegenteil; in Arlen wuchs der Entschluss, dort Erfolg zu haben, wo andere vor ihm versagt hatten. Er stemmte sich hoch, verschaffte sich mit den Füßen einen festeren Halt und verlagerte sein Gewicht auf die Fersen.
    »Genug geübt mit den langen Speeren!«, bestimmte Cob. »Lass uns jetzt mit den kurzen trainieren.«
    Elissa runzelte unwillig die Stirn, als Arlen den acht Fuß langen Speer auf einem Ständer platzierte und er und Ragen sich kürzere aussuchten, knapp drei Fuß lang und mit Spitzen, die ein Drittel ihrer Länge ausmachten. Sie waren für Nahkämpfe gedacht und waren ideale Stichwaffen. Arlen wählte auch noch
einen Schild aus, und abermals gingen der alte, erfahrene und der junge, angehende Kurier in Kampfposition. Sie standen einander auf dem verschneiten Hof gegenüber und fixierten sich aufmerksam. Arlen war inzwischen ein gutes Stück gewachsen, und auch in den Schultern war er breiter geworden; mit seinen fünfzehn Jahren hatte er nun eine schlanke, drahtige Statur. Geschützt wurde er von einem alten Lederpanzer, der Ragen gehörte. Das Teil war ihm zu groß, doch er wuchs schnell hinein.
    »Ich verstehe nicht, wozu all dieses Training gut sein soll«, regte Elissa sich auf. »Als ob er jemals einem Dämon so nahe käme, um das Gelernte überhaupt einsetzen zu können. Wem ein Horcling so dicht auf die Pelle rückt, der ist doch bereits so gut wie tot.«
    »Das ist nicht gesagt, Lady Elissa«, widersprach Cob, während er Arlen und Ragen beim Kämpfen zusah. »Ich habe erlebt, wie sich jemand gegen einen Angriff der Horclinge verteidigen konnte und diese Attacke überlebt hat. Außerdem lauern zwischen den Städten auch noch andere Gefahren als Dämonen, werte Dame. Wilde Tiere zum Beispiel, und Banditen.«
    »Welcher Mensch würde denn einen Kurier überfallen?«, rief Elissa entsetzt.
    Ragen funkelte Cob zornig an, doch der beachtete ihn gar nicht. »Kuriere sind wohlhabende Männer«, erwiderte er, »und sie führen kostbare Waren mit sich. Außerdem überbringen sie nicht selten Botschaften, die über das Schicksal von Händlern und Herzögen gleichermaßen entscheiden. Die meisten Leute würden es nicht wagen, einen Kurier auszurauben, doch es kommt immer wieder mal vor. Und dann die wilden Tiere … da die Horclinge die Schwachen ausmerzen, überleben nur die stärksten und gefährlichsten Räuber. Arlen!«, brüllte der Bannzeichner unvermittelt. »Wie verhältst du dich, wenn du von einem Bären angegriffen wirst?«

    Ohne den Blick von Ragen abzuwenden, schrie der Junge zurück: »Ich stoße ihm den langen Speer in den Hals, ziehe ihn sofort wieder zurück und steche gleich noch einmal zu, solange er noch abgelenkt ist. Dieses Mal ziele ich auf den Bauch.«
    »Was könntest du noch tun?«, bohrte Cob weiter.
    »Mich auf den Boden werfen und ganz still liegenbleiben«, erwiderte Arlen verächtlich. »Bären vergreifen sich nur ganz selten an Toten.«
    »Angenommen, du triffst auf einen Löwen?«, rief Cob.
    »Ich wähle einen Speer von mittlerer Länge«, schrie Arlen atemlos, da er gerade einen Hieb von Ragen mit dem Schild parierte und zum Gegenschlag ausholte. »Ich ramme ihn in das Schultergelenk, halte ihn fest und warte darauf, dass das Biest sich selbst aufspießt. Dann steche ich einen kurzen Speer in seine Brust oder die Flanke, je nachdem, was leichter zu erreichen ist.«
    »Wolf?«
    »Ich kann das nicht mehr hören!«, fauchte Elissa und stürmte zur Villa zurück.
    Arlen achtete nicht auf sie. »Ein kräftiger Schlag auf

Weitere Kostenlose Bücher