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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Schöpfer uns vergibt und uns seinen Erlöser schickt, der uns von dem Fluch befreit.«
    »Was soll der Schöpfer uns denn vergeben?«, hakte Arlen nach. »Und was ist das für ein Fluch?«
    Bestürzt starrte Ronnell den Jungen an; in seinem Blick hielten sich Empörung und maßlose Verblüffung die Waage. Einen Moment lang befürchtete Arlen schon, der Fürsorger könnte ihn schlagen, und er wappnete sich innerlich gegen den Hieb.
    Stattdessen wandte sich Ronnell an seine Tochter. »Ist es möglich, dass er es wirklich nicht weiß?«, staunte er.
    Mery nickte. »Der Fürsorger in Tibbets Bach scheint ein wenig … unkonventionell gewesen zu sein«, meinte sie.
    Ronnell nickte. »Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Er war noch ein Schüler, als sein Meister von Horclingen getötet wurde, und danach brach er seine Ausbildung ab. Wir hatten immer geplant, ihn zu ersetzen und jemand anderen nach Tibbets Bach zu schicken …« Er setzte sich an seinen Schreibtisch und fing an, einen Brief zu schreiben. »Das kann ich nicht durchgehen lassen«, knurrte er. »Dass jemand nicht weiß, was es mit dem Fluch auf sich hat!«

    Er fuhr fort, in seinen Bart zu brummen, und Arlen hoffte, er könne aus dem Raum entwischen, solange Ronnell anderweitig beschäftigt war. Vorsichtig pirschte er in Richtung Tür.
    »Nicht so hastig, ihr zwei!«, hielt Ronnell ihn und Mery zurück. »Ihr beide habt mich sehr enttäuscht. Ich weiß, dass Meister Cob kein frommer Mann ist, Arlen, aber die Art und Weise, wie er deine religiöse Erziehung vernachlässigt hat, ist unverzeihlich.« Mit strenger Miene fasste er Mery ins Auge. »Und nun zu dir, junge Dame!«, schnauzte er. »Du wusstest Bescheid und hast nichts dagegen unternommen?«
    Mery starrte auf ihre Füße. »Es tut mir leid, Vater.«
    »Das sollte es auch!«, blaffte Ronnell. Er holte einen dicken Wälzer aus seinem Schreibtisch und hielt ihn seiner Tochter hin. »Unterrichte ihn!«, befahl er und drückte ihr den Heiligen Kanon in die Hand. »Wenn Arlen innerhalb eines Monats das Buch nicht in- und auswendig kennt, bekommt ihr beide meinen Gürtel zu spüren!«
    Mery presste das Buch an sich, und zusammen mit Arlen flüchteten sie aus dem Zimmer.
    »Wir sind ja noch mal gut davongekommen«, fand Arlen.
    »Viel zu gut«, pflichtete Mery ihm bei. »Vater hat Recht. Ich hätte dich schon früher aufklären sollen.«
    »Mach dir deswegen keine Sorgen«, erwiderte Arlen. »Das ist doch nur ein Buch. Bis morgen früh habe ich es durchgelesen.«
    »Das ist nicht nur irgendein Buch!«, konterte Mery heftig. Arlen sah sie neugierig an.
    »Das ist das Wort des Schöpfers, niedergeschrieben vom Ersten Erlöser«, erklärte sie.
    Arlen hob eine Augenbraue. »Wirklich und wahrhaftig?«, vergewisserte er sich.
    Das Mädchen nickte voller Inbrunst. »Es genügt nicht, das Buch nur zu lesen. Du musst dein Leben danach ausrichten.
Tag für Tag. Es ist ein Leitfaden, der die Menschen von der Sünde reinigen soll, die den Fluch über uns gebracht hat.«
    »Was ist dieser Fluch? Was ist überhaupt gemeint?«, wollte Arlen endlich wissen. Ihm kam es so vor, als hätte er diese Frage schon ein Dutzend Mal gestellt.
    »Die Dämonen natürlich«, antwortete Mery. »Die Horclinge.«

    Ein paar Tage später hockte Arlen auf dem Dach der Bibliothek und rezitierte mit geschlossenen Augen:
    Und die Menschen in ihrem Hochmut und Stolz
Wandten sich gegen ihren Schöpfer und den Erlöser.
Man missachtete den, der alles Leben spendet
Und frönte fortan der Sünde.
     
    Die Wissenschaft wurde die neue Religion der Menschen,
Der Glaube an Maschinen und Chemie ersetzte das Gebet.
Man heilte die, die sterben sollten,
Und wähnte sich allmächtig.
     
    In eitlem Kampf bekriegt Bruder den Bruder.
Da draußen das Böse fehlte, wuchs es im Innern heran,
Nistete sich ein in den Herzen und Seelen,
Beschmutzte, was einst unbefleckt und rein.
     
    Doch der Schöpfer in Seiner Weisheit
Belegte seine verlorenen Kinder mit einem Fluch.
Erneut öffnete er die Pforten des Horc,
Um den Menschen zu zeigen, dass sie irrten.

     
    Und so soll es sein, bis zu dem Tag,
An dem Er ein zweites Mal den Erlöser schickt.
Denn wenn der Erlöser die Menschen von ihren Sünden
reinwäscht,
Mangelt es den Horclingen an Nahrung.
     
    Und ihr werdet den Erlöser erkennen,
Denn Zeichen wird er tragen auf seiner bloßen Haut.
Die Dämonen werden seinen Anblick nicht ertragen
Und in Schrecken vor ihm fliehen.
    »Ausgezeichnet!«

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