Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
seine Siegel eindrosch; nun jedoch machte ihm der Lärm nichts mehr aus. Sein Zirkel hatte sich immer wieder aufs Neue bewährt, und Arlen pflegte ihn mit akribischer Genauigkeit, indem er dauernd frischen Lack auftrug und die Schnüre ausbesserte.
    Trotzdem hasste er den Dämon. Im Laufe der Jahre hatte er ihm gegenüber nicht die Verbundenheit entwickelt, welche die Wachposten auf der Mauer von Fort Miln ihm entgegengebracht hatten. Während Einarm sich an den Jungen erinnerte, der ihn verstümmelt hatte, konnte Arlen nicht vergessen, wem er die grässlichen Narben auf dem Rücken verdankte und wer ihn um ein Haar getötet hätte. Er vergaß auch nicht die neun Bannzeichner, die siebenunddreißig Wachposten, die beiden Kuriere, die drei Kräutersammlerinnen und die achtzehn Bürger von Miln, die das Monstrum umgebracht hatte. Nun beobachtete er den Dämon und strich dabei geistesabwesend mit der Hand über seinen neuen Speer. Was mochte passieren, wenn er damit auf Einarm einstach? Die Waffe hatte einen Sanddämon verletzt. Würden die Siegel auch einem Felsendämon etwas anhaben können?

    Er musste all seine Willenskraft aufbieten, um nicht gleich aus dem Kreis zu springen und es auszuprobieren.

    Als die Sonne die Dämonen in den Horc zurücktrieb, hatte Arlen kaum geschlafen, doch er stand trotzdem erfrischt und gut gelaunt auf. Nach dem Frühstück nahm er sein Notizbuch und untersuchte den Speer; peinlich genau kopierte er jedes einzelne Zeichen und studierte die Muster, die sie auf dem Schaft und der Spitze bildeten.
    Als er damit fertig war, stand die Sonne hoch am Himmel. Mit einer neuen Fackel stieg er noch einmal in die Katakomben hinunter und pauste mit Holzkohle und Papier die in den Stein eingemeißelten Siegel ab. Es gab noch weitere Gräber, und er war versucht, jede Vernunft in den Wind zu schlagen und sie alle zu erforschen. Aber wenn er nur noch einen Tag länger bliebe als ursprünglich geplant, würde ihm der Proviant ausgehen, bevor er die Oase der Morgendämmerung erreichte. Er hatte sich darauf verlassen, in den Ruinen von Anochs Sonne einen Brunnen zu finden, und tatsächlich hatte er Glück gehabt, doch die spärliche Vegetation, die hier gedieh, war ungenießbar.
    Arlen seufzte. Die Ruinen standen hier schon seit Jahrhunderten. Sie würden noch da sein, wenn er zurückkehrte, hoffentlich mit einer Gruppe Krasianischer Bannzeichner, die ihm Rückendeckung verschafften.
    Als er aus den Katakomben wieder nach oben stieg, war der Tag weit fortgeschritten. Er nahm sich die Zeit, um sein Pferd zu bewegen und zu füttern, dann bereitete er für sich selbst ein Mahl zu. Seine Gedanken kreisten um seine Entdeckung.

    Natürlich würden die Krasianer einen Beweis verlangen. Den Beweis, dass man mit dem Speer einen Dämon töten konnte. Diese Männer waren Krieger, keine Schatzsucher, die in Ruinen herumstöberten, und ohne einen triftigen Grund würden sie keinen Mann, der imstande war, daheim zu kämpfen, auf eine Expedition schicken.
    Beweise, dachte er. Und es war nur recht und billig, dass er sie beschaffte.
    Knapp eine Stunde vor Sonnenuntergang begann Arlen, sein Lager einzurichten. Er fesselte dem Pferd wieder die Vorderbeine und prüfte den Zirkel, in dem das Tier stand. Wie immer, legte er seinen Kreis mit einem Durchmesser von zehn Fuß aus, dann nahm er ein paar mit Siegeln versehene Steine aus seinen Taschen und verteilte diese in einem äußeren Kreis, dem er einen Durchmesser von ungefähr vierzig Fuß gab. Dieses Mal ließ er zwischen den einzelnen Steinen etwas größere Lücken als sonst, sorgfältig darauf achtend, dass sie korrekt zu den daneben liegenden Steinen ausgerichtet waren. In den Satteltaschen führte er noch einen dritten Zirkel mit sich - als eventuellen Ersatz -, und diesen breitete er ebenfalls in dem Lager aus, am Rand des größeren Kreises.
    Als er damit fertig war, kniete er mitten im Zirkel nieder, den Speer an seiner Seite; er atmete tief durch und klärte seinen Geist von allen störenden Gedanken. Um sich durch nichts ablenken zu lassen, schloss er die Augen. Er sah nicht, wie die Sonne versank und der Sand am Horizont glühte, ehe es dunkel wurde.
    Die geschmeidigen Sanddämonen stiegen als Erste aus dem Boden empor, und Arlen hörte das Knistern des äußeren Rings, der sie mit Funkenschauern abwehrte. Wenig später drang Einarms dröhnendes Gebrüll an seine Ohren, der auf seinem Weg zu Arlens Ring die schmächtigeren Horclinge beiseitefegte.

Weitere Kostenlose Bücher