Das Lied der Dunkelheit
tötete die Bestie sofort. Etwas anderes war es, wenn man den Horcling nur verletzte. Bei diesen Kreaturen heilten Wunden übernatürlich schnell, und wenn die Speerspitze nicht mitten ins Auge traf oder nicht tief genug hineingestoßen wurde, stand man einer Bestie gegenüber, die vor Wut raste. Ohne einen Schild und nur im matten Licht des Mondes und der Öllampen über der Grube standen Arlens Chancen, sich zu retten, denkbar schlecht.
Während der Dämon sich noch zurückhielt, weil Arlens seltsames Benehmen ihn verwirrte, begann Arlen, die Speerspitze langsam durch den Staub zu ziehen und direkt vor seinen Füßen Siegel zu zeichnen; damit sicherte er den Weg, den der
Horcling höchstwahrscheinlich einschlagen würde, wenn er ihn angriff. Der Dämon würde sehr schnell herausfinden, wie er die Schutzzeichen umgehen konnte, aber vielleicht verschaffte er sich dadurch ein wenig mehr Zeit. Linie für Linie sorgfältig ausrichtend, kratzte er ein Symbol nach dem anderen in den Boden.
Der Sanddämon zog sich bis dicht an die Grubenwände zurück, wo die von den Öllampen geworfenen Schatten am dichtesten waren. Seine gelbbraunen Schuppen hoben sich kaum gegen den lehmfarbenen Hintergrund ab, sodass er nur noch schwer auszumachen war. Lediglich die großen, schwarzen Augen, in denen sich das spärliche Licht spiegelte, traten deutlich hervor.
Und dann stand der Angriff kurz bevor. Mit schwellenden, zuckenden Muskeln richtete sich der Dämon auf die Hinterbeine auf. Arlen, der den Horcling nicht aus den Augen gelassen hatte, ging hinter seinen Siegeln in Position, dann unterbrach er den Blickkontakt, als wolle er sich unterwerfen.
Mit einem Knurren, das sich zu einem wütenden Brüllen steigerte, stürzte sich der Horcling auf ihn, über hundert Pfund gepanzerte Muskeln, Krallen und Zähne. Arlen wartete, bis der Dämon die Siegel erreichte, und sobald sie in magischem Licht flackerten, rammte er seinen Speer mit aller Kraft in eines der weit geöffneten Augen, wobei er den Schwung der angreifenden Bestie für die Wucht seines Stoßes nutzte.
Die von oben zuschauenden Krasianer brachen in Jubel aus.
Arlen merkte, dass sich die Speerspitze in das Auge hineinbohrte, aber nicht tief genug, bevor der Anprall gegen die magische Barriere die Kreatur wieder zurückschleuderte. Der Dämon kreischte vor Schmerz. Ein Blick auf den Speer verriet Arlen, dass die Spitze abgebrochen war. Als der Dämon seine Qualen überwand und sich wieder aufrappelte, sah Arlen, dass
sie im Auge des Dämons steckte und im Mondlicht schimmerte. Mit den Krallen bearbeitete der Horcling sein Gesicht, und die Spitze fiel heraus. Bereits jetzt hatte die Verletzung aufgehört zu bluten.
Aus der Kehle des Dämons löste sich ein dumpfes Grollen, und auf dem Bauch rutschend kroch er auf Arlen zu. Arlen ignorierte ihn und machte sich hastig daran, einen Halbkreis aus Siegeln in den Boden zu scharren. Wieder schnellte der Dämon in einem mächtigen Satz durch die Luft, nur um erneut gegen die behelfsmäßige Schutzschranke zu prallen. Als Arlen dieses Mal mit dem Speer zustieß, versuchte er, die Spitze des abgesplitterten Schafts zwischen die weit aufgerissenen Kiefer der Bestie zu rammen, um das weiche Innere der Kehle zu verletzen. Doch der Horcling war zu schnell für ihn; die Kiefer schnappten zu, die Zähne gruben sich in den hölzernen Schaft, und als er von dem magischen Feuer zurückgeworfen wurde, riss er Arlen den Speer aus der Hand.
»Bei der Nacht!«, fluchte Arlen. Der Kreis aus Siegeln, den er anfertigen wollte, war noch längst nicht geschlossen, und ohne den Speer konnte er keine Zeichen in den Boden kratzen.
Der Sanddämon, der sich erst noch von seinem Sturz erholen musste, war völlig unvorbereitet, als Arlen hinter seinen Schutzsiegeln hervorstürmte und ihn attackierte. Die Zuschauer oben brüllten vor Begeisterung.
Der Horcling kratzte und biss, aber Arlen bewegte sich unglaublich schnell; er sprang hinter den Dämon, schob seine Arme unter dessen Achseln und packte mit festem Griff seinen Kopf. Dann richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und stemmte den Dämon vom Boden hoch.
Arlen war größer und schwerer als der Sanddämon, aber als die Kreatur sich wie besessen wehrte, kam er gegen ihre ungeheure
Kraft nicht an. Die Muskeln und Sehnen glichen den Trossen, die man in den Steinbrüchen von Miln benutzte, und die hinteren Klauen drohten, seine Beine zu zerfetzen. Er schwenkte den Dämon herum und knallte ihn gegen
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