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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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gemacht haben, kann diese Rostkehle einpacken!«
    »Arrick Honigstimme und Rojer Achtfinger ist er nicht gewachsen«, warf Rojer schnell ein und nannte bewusst den
Namen seines Meisters zuerst, obwohl auf den Straßen in Angiers in aller Munde war, dass der Lehrling den Meister überflügelt hatte.
    »Jawohl!«, schrie Arrick, knallte zackig die Hacken zusammen und führte einen schnellen Tanz auf.
    Gerade noch rechtzeitig hatte Rojer ihn besänftigt. Seit ein paar Jahren häuften sich seine Wutausbrüche, und er trank immer mehr, während Rojers Stern im Aufgehen und sein eigener im Sinken war. Seine Stimme hatte ihren wunderschönen Klang eingebüßt, und das wusste er genau.
    »Wie weit ist es noch bis Kricketlauf?«, erkundigte sich Rojer.
    »Morgen um die Mittagsstunde müssten wir da sein«, schätzte Arrick.
    »Ich dachte, die einzelnen Dörfer lägen jeweils nur eine Tagesreise voneinander entfernt«, wandte Rojer ein.
    Arrick brummte. »Der Erlass des Herzogs sieht vor, dass die Dörfer nicht weiter voneinander entfernt sein dürfen, als ein Mann auf einem guten Pferd an einem Tag reiten kann«, erläuterte er. »Hoch zu Ross ist man ein bisschen schneller als zu Fuß.«
    Rojers Hoffnung sank auf einen Tiefpunkt. Arrick wollte tatsächlich eine Nacht im Freien verbringen, nur durch Gerals alten, tragbaren Zirkel geschützt, der seit einem Jahrzehnt nicht mehr benutzt worden war.
    Doch mittlerweile konnten sie sich in Angiers auch nicht mehr sicher fühlen. Als ihre Beliebtheit wuchs, hatte Meister Jasin alles Mögliche in die Wege geleitet, um sie zu schikanieren. Im vergangenen Jahr hatten seine Lehrlinge Arricks Arm gebrochen und ihnen mehr als einmal nach einem großen Auftritt die Einnahmen gestohlen. Aus diesem Grund und durch Arricks Sauferei und Herumhurerei waren er und Rojer ständig
pleite. Vielleicht boten ihnen die Dörfer wirklich bessere Möglichkeiten.
    Durch die Dörfer zu ziehen und sich auf dem platten Land einen Namen zu machen, war ein Initiationsritual für Jongleure und war Rojer wie ein großes Abenteuer vorgekommen, solange sie sich noch in der sicheren Umgebung von Angiers befunden hatten. Nun jedoch spähte er zum Himmel empor und schluckte nervös.

    Rojer hockte auf einem Stein und nähte einen bunten Flecken auf seinen Umhang. Wie bei seinen anderen Kleidungsstücken, so war auch hier der ursprüngliche Stoff längst verschlissen und wurde nach und nach durch Flicken ersetzt, bis er nur noch aus zusammengesetzten, bunt durcheinandergewürfelten Stofffetzen bestand.
    »Wennschu fertich bisch, legschu den Zirkel aus, Junge«, nuschelte Arrick und schwankte ein bisschen. Sein Weinschlauch war fast leer. Rojer warf einen Blick auf die untergehende Sonne und erschrak, dann setzte er sich hastig in Bewegung.
    Der Zirkel war mit einem Durchmesser von nur zehn Fuß ziemlich klein. Der Platz reichte gerade mal aus, dass zwei Männer darin schlafen und zwischen sich ein Feuer in Gang halten konnten. Mitten im Lager trieb Rojer einen Pflock in den Boden, und mit der daran befestigten, fünf Fuß langen Schnur markierte er auf dem Boden einen völlig gleichmäßigen Kreis. Entlang dieser Linie legte er dann den tragbaren Zirkel aus. Mit einem Lineal vergewisserte er sich, dass die einzelnen Tafeln mit den Siegeln korrekt ausgerichtet waren, aber er war kein Bannzeichner und konnte nicht wissen, ob er es richtig gemacht hatte.

    Als er damit fertig war, kam Arrick herbeigetorkelt, um sein Werk zu inspizieren.
    »Schieht gansch gut ausch«, lallte sein Meister, ohne dem Zirkel mehr als einen flüchtigen Blick zu gönnen. Rojer lief eine Gänsehaut über den Rücken, und er kontrollierte alles noch einmal, um sich selbst zu überzeugen, und dann ein drittes Mal, um ganz sicher zu sein. Trotzdem fühlte er sich unbehaglich, als er ein Lagerfeuer entzündete und das Abendessen zubereitete, während die Sonne immer tiefer sank.
    Rojer hatte noch nie einen Horcling gesehen, zumindest konnte er sich nicht klar erinnern. Die Krallenhand, die durch die Tür seines Elternhauses gerammt worden war, hatte sich unauslöschlich in sein Gedächtnis eingeprägt, aber alles andere, sogar der Dämon, der ihn verstümmelt hatte, verschwamm in einem wirren Bild aus Qualm, Zähnen und Hörnern.
    Das Blut gefror ihm in den Adern, als die Wälder allmählich tiefe Schatten über die Straße warfen. Nicht mehr lange, und unweit ihres Feuers stieg eine geisterhafte Form aus dem Boden auf. Der Baumdämon war nicht

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