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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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dich das nächste Mal irgendein Gönner beleidigt? Oder gar der Herzog selbst? Gildemitglieder können nicht jeden verprügeln, über den sie sich ärgern.«

    Rojer ließ den Kopf hängen. »Ich verstehe.«
    »Du hast mich gerade ein hübsches Sümmchen gekostet«, fuhr Cholls fort. »Um Jasin zu besänftigen, werde ich ihm in den nächsten Wochen Geld geben und ihm erstklassige Auftritte zuschustern müssen, und da du wirklich ein erstklassiger Fiedler bist, wäre ich ein Narr, wenn ich dich nicht dazu benutzen würde, diese Kosten wieder einzuspielen.«
    Voller Hoffnung hob Rojer den Blick.
    »Lizenz auf Probe«, verkündete Cholls und griff nach einem Blatt Papier und einer Schreibfeder. »Du darfst nur unter der Aufsicht eines Gildemeisters auftreten, wirst von deinen Einnahmen bezahlt, und die Hälfte deines Bruttoeinkommens geht an dieses Büro, bis ich entscheide, dass deine Schulden getilgt sind. Hast du verstanden?«
    »Absolut, Gildemeister!«, antwortete Rojer eifrig.
    »Und zügele dein Temperament«, warnte Cholls, »andernfalls zerreiße ich diese Lizenz, und du wirst nie wieder in Angiers auftreten!«

    Rojer spielte auf der Fiedel, doch aus dem Augenwinkel beobachtete er Abrum, Jasins stämmigen Lehrling. Jasin schickte immer einen Lehrling zu Rojers Auftritten. Das machte ihn nervös, denn er wusste, dass sie nicht kamen, um seine Musik zu hören, sondern dass sie ihn im Auftrag ihres Meisters bespitzelten. Seit dem Vorfall im Büro des Gildemeisters waren Monate vergangen, ohne dass es zu irgendwelchen Konsequenzen gekommen wäre. Meister Jasin war rasch genesen und gab schon bald wieder Vorstellungen, wobei man ihn bei jedem Fest, zu dem die vornehme Gesellschaft von Angiers einlud, mit Auszeichnungen förmlich überschüttete.

    Rojer hätte zu hoffen gewagt, dass ein Schlussstrich unter die Episode gezogen sei, wenn Jasins Lehrlinge nicht beinahe täglich zu seinen Vorstellungen aufgetaucht wären. Manchmal war es Abrum, der Baumdämon, der in der Menge lauerte, gelegentlich sah er Sali, den Felsendämon, wie sie hinten in einer Taverne an einem Getränk nippte; doch so harmlos das Ganze auch scheinen mochte, es war kein Zufall, dass die beiden ihn verfolgten.
    Mit einem furiosen Ausklang beendete Rojer seine Vorstellung, riss den Bogen von der Fiedel und warf ihn in die Luft. Er verbeugte sich lange, und richtete sich erst im letzten Moment wieder auf, um den Bogen wieder einzufangen. Die Menge applaudierte begeistert, und Rojers scharfe Ohren hörten das Klirren von Metallmünzen im Hut, mit dem Jaycob sich durch die Zuschauer zwängte. Rojer konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Der alte Mann sah beinahe beschwingt aus.
    Als sie ihre Ausrüstung wieder einsammelten, ließ Rojer den Blick über das sich zerstreuende Publikum wandern, doch Abrum war verschwunden. Trotzdem beeilten sie sich mit dem Einpacken und gingen auf Umwegen zu ihrem Gasthof, um eine Verfolgung zu erschweren. Bald würde die Sonne untergehen, und die Straßen leerten sich rasch. Der Winter näherte sich seinem Ende, aber auf den Plankenwegen hielten sich einige Eis- und Schneeflecken, und wer draußen nichts Wichtiges zu erledigen hatte, zog sich ins Haus zurück.
    »Selbst ohne Cholls Anteil haben wir genug eingenommen, um die Miete zu bezahlen, und es bleibt sogar noch etwas übrig«, freute sich Jaycob, mit dem Beutel klingelnd, in dem ihre Einnahmen steckten. »Wenn deine Schulden getilgt sind, bist du reich!«
    » Wir sind dann reich«, verbesserte Rojer. Jaycob lachte, knallte die Hacken zusammen und klopfte Rojer auf den Rücken.

    »Sieh dich nur an«, fuhr Rojer kopfschüttelnd fort. »Was ist aus dem schlurfenden, halb blinden Mann geworden, der mir vor ein paar Monaten seine Tür öffnete?«
    »Das kommt daher, weil ich wieder bei Auftritten mitwirke«, erklärte Jaycob und schenkte Rojer ein zahnloses Grinsen. »Sicher, ich singe nicht und ich werfe auch keine Messer, aber selbst das Herumgehen mit dem Hut hat mein staubiges altes Blut wieder in Wallung gebracht wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Ich fühle mich, als könnte ich sogar wieder …« Er wandte den Blick ab.
    »Was?«, fragte Rojer.
    »Nun ja …«, druckste Jaycob herum. »Ich weiß auch nicht recht, aber vielleicht könnte ich wieder Geschichten erzählen. Oder den Deppen mimen, während du mir die Stichworte lieferst. Nichts, was dir die Schau stiehlt, natürlich …«
    »Ja klar«, stimmte Rojer zu. »Ich hätte dich schon längst

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