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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Jungen johlten höhnisch, und als Leesha sich umdrehte und wegging, streckte sie ihnen die Zunge heraus.

    »Du bist dumm, Mädchen«, schimpfte Bruna, als Leesha ihr erzählte, was sie Elona gesagt hatte. »Nur ein Narr deckt seine Karten auf, wenn das Spiel noch gar nicht richtig angefangen hat.«
    »Das hier ist kein Spiel«, ereiferte sich Leesha, »es ist mein Leben!«
    Bruna packte ihr Gesicht und drückte die Wangen so fest zusammen, dass ihre Lippen sich vorstülpten. »Ein Grund mehr, besonnen zu handeln«, brummte sie und starrte sie mit ihren weißlich verschleierten Augen an.
    Leesha spürte, wie der Groll in ihr hochkochte. Wofür hielt sich die Alte, dass sie es wagte, so mit ihr zu sprechen? Bruna
schien die gesamte Stadt zu verachten; sie bedrohte, befingerte und verprügelte die Leute, gerade wie es ihr in den Sinn kam. War sie wirklich besser als Elona? Meinte sie es wirklich nur gut mit ihr, wenn sie ihr all diese schrecklichen Geschichten über ihre Mutter offenbarte, oder versuchte sie lediglich, sie dazu zu bewegen, bei ihr eine Lehre als Heilerin zu beginnen? Manchmal erinnerte sie Leesha an Elona, die aus lauter Eigennutz darauf drängte, sie solle Gared so früh wie möglich heiraten und Kinder von ihm bekommen. Im Innersten ihres Herzens wollte Leesha beides - als Kräutersammlerin den Menschen helfen und mit Gared eine Familie gründen -, aber sie war es leid, sich Vorschriften machen zu lassen.
    »Nanu, nanu … sieh mal einer an, wer schon in aller Frühe wieder aufgetaucht ist«, erklang eine Stimme von der Tür her. »Das Wunderkind!«
    Leesha drehte den Kopf und sah Darsy in der Tür zum Heiligen Haus stehen, in den Armen einen Stapel Feuerholz. Die Frau machte keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Leesha, und wenn sie es darauf anlegte, konnte sie genauso furchteinflößend sein wie Bruna. Leesha hatte versucht, ihr zu versichern, dass sie für sie keine Bedrohung darstellte, doch ihre Bemühungen um Harmonie schienen alles nur noch schlimmer zu machen. Darsy war offenbar fest entschlossen, sie nicht zu mögen.
    »Du kannst es Leesha nicht übelnehmen, wenn sie in zwei Tagen mehr gelernt hat als du in deinem gesamten ersten Ausbildungsjahr«, krächzte Bruna, als Darsy das Holz auf den Boden warf und nach einem wuchtigen eisernen Feuerhaken griff, um damit energisch in der Glut zu stochern.
    Leesha war klar, dass sie nie gut mit Darsy auskommen würde, solange Bruna immer wieder Salz in die offene Wunde streute, doch sie schwieg und beschäftigte sich damit, Kräuter
für Breiumschläge zu zerkleinern. Ein paar Leute, die bei dem Dämonenangriff Verbrennungen davongetragen hatten, litten nun an Infektionen der Haut und bedurften ständiger Pflege. Anderen Verletzten ging es noch schlechter. Zweimal hatte man Bruna mitten in der Nacht wecken müssen, um den Schwerkranken beizustehen, doch bis jetzt hatten ihre Kräuter und ihr Geschick als Heilerin sie noch nicht im Stich gelassen.
    Bruna sah sich nun als die uneingeschränkte Herrin im Heiligen Haus und scheuchte den Fürsorger Michel sowie alle anderen Helfer herum, als seien sie Milneser Dienstboten. Leesha behielt sie bei sich in der Nähe; unentwegt sprach sie mit ihrer heiseren, röchelnden Stimme auf sie ein, belehrte sie über die Art der verschiedenen Wunden und mit welchen Kräutern man die beste Heilwirkung erzielte. Leesha sah zu, wie sie in Fleisch schnitt und die Wunden dann vernähte, und sie stellte fest, dass sie sich langsam gegen diesen Anblick abhärtete.
    Allmählich wurde es Nachmittag, und Leesha musste Bruna zwingen, eine Pause einzulegen und etwas zu essen. Nicht jeder hätte bemerkt, wie schwer der Greisin mittlerweile das Atmen fiel und wie stark ihre Hände zitterten, aber Leesha war die zunehmende Schwäche aufgefallen.
    »So, das war’s dann«, verkündete sie schließlich und nahm der Kräutersammlerin einfach Mörser und Stößel aus den Händen. Bruna fasste sie argwöhnisch ins Auge.
    »Du musst dich jetzt ausruhen«, bestimmte Leesha.
    »Was bildest du dir ein, du albernes Gör …«, begann Bruna und wollte nach ihrem Stock greifen.
    Leesha ahnte, was die Alte vorhatte, und reagierte blitzschnell, indem sie sich selbst den Stock schnappte und die Spitze an Brunas gekrümmte Nase hielt. »Wenn du dich nicht schonst, dann bekommst du wieder einen Anfall«, schimpfte sie. »Ich bringe dich jetzt nach draußen, ob es dir passt oder nicht! Für
eine Stunde werden Stefny und Darsy auch allein

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