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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Holeman
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Ich vergebe dir, Papa « , sagt Grischa. » Du hast recht getan « , fügt er flüsternd hinzu.
    Wenn er sich selbst doch ebenfalls vergeben könnte; wenn er nur auch etwas getan hätte, um seinen Vater stolz zu machen.
    Grischa schlägt das Tuch wieder um die Leiche und lässt sie mit Ljoschas Hilfe in das ausgehobene Grab sinken. Er nimmt eine Handvoll dunkler Erde und streut sie langsam über Walentins Leichnam, während er laut betet. Ljoscha fällt in das Gebet ein, dann schaufeln die beiden Männer das Grab wieder zu.
    In der Nacht schneit es, und am Morgen ist das frische Grab nur ein weiterer kleiner Hügel auf dem vernachlässigten Friedhof.
    Kurz vor Tagesanbruch, während Grischa und Ljoscha schlaflos in ihren Betten liegen und warten, bis diese Nacht zu Ende geht, begibt sich Lilja in Antoninas Schlafzimmer. Sie entzündet ein Feuer im Kamin und weckt dann Antonina auf. Nachdem sie sich auf die Bettkante gesetzt hat, nimmt sie Antoninas Hand und spricht leise auf sie ein.
    » Gestern ist Kropotkin gestorben, Antonina « , sagt sie. » Er wurde von Straßenräubern unweit von hier ermordet. Er war wahrscheinlich auf dem Weg hierher. Man hat ihn erschossen, ausgeraubt und tot am Straßenrand liegen lassen. Er wurde nach Pskow zurückgebracht, wo er irgendwo auf einem Friedhof beerdigt wird. Man hat es sich im Dorf erzählt. Ich habe es gestern Abend gehört, wollte dich aber vor dem Schlafengehen nicht beunruhigen. Ich dachte, ich lasse dich lieber schlafen und sage es dir heute Morgen. «
    Antonina zieht ihre Hand zurück. » Was erzählst du da, Lilja? Das muss ein Irrtum sein. Bestimmt … «
    » Nein. Er ist tot. Es ist gestern Abend, in der Dämmerung passiert. Er wollte dich wieder besuchen, wie vorgestern Abend. Der Musiker musste sterben, weil er dich geliebt hat, Tosja. «
    Antoninas Gesicht ist kalkweiß. Sie erinnert sich an den Schuss, den sie aus der Ferne hörte, und wie sie dachte, es sei Ljoscha, der noch immer Hasen jagte. » Bring mir etwas zu trinken, Lilja, hol mir ein Glas. «
    Lilja geht zum Schrank und nimmt die Wodkaflasche heraus. Sie schenkt Antonina ein halbes Glas ein. » Hier, moja dorogaja, mein Liebling. Ja, du brauchst jetzt Trost. Ich kann mir vorstellen, wie furchtbar und unglaublich diese Nachricht für dich ist. Aber du weißt ja, wie gewalttätig einige der Bauern geworden sind. Niemand weiß besser als du, wozu sie fähig sind. Es würde mich nicht wundern, wenn Grischa etwas damit zu tun hätte. «
    Antonina nimmt einen Schluck von ihrem Glas und starrt Lilja, den Wodka noch immer im Mund, ungläubig an. Sie hat Mühe zu schlucken. » Was redest du da? «
    » Du hast Grischa noch nie wütend erlebt, aber ich « , sagt Lilja.
    » Warum sollte Grischa Walentin etwas antun? «
    Lilja setzt sich wieder aufs Bett und streichelt Antoninas Haar. » Aus Eifersucht, ganz einfach. Aus Eifersucht, Tosja. « Ihre Stimme ist leise und sanft. » Wir wissen ja alle, wozu Eifersucht einen Menschen treiben kann. «
    » Eifersucht « , murmelt Antonina. Sie ruft sich ins Gedächtnis, wie sie am Tag zuvor in Grischas Haus mit ihm über Walentin gesprochen hat. Wie merkwürdig er ausgesehen hat – als wäre er krank. Sie stellt das Glas auf den Nachttisch. Und sie plauderte die ganze Zeit mit ihm, als ob nichts wäre. Empfindet Grischa wirklich so viel für sie? Ist das alles ihre Schuld? Hat sie Grischa so wütend gemacht, dass er …
    Sie schlägt die Hände vors Gesicht. Lilja hat recht. Sie ist schuld an dem, was Walentin zugestoßen ist. Aber warum sollte er mich noch mal besuchen kommen?, fragt sie sich dann. Wir haben uns doch voneinander verabschiedet. Wie auch immer, offenbar wollte er mich nochmals sehen.
    » Oh, barmherziger Gott. « Unwillkürlich brechen die Worte aus ihr heraus. Ich bin schuld an Walentins Tod, denkt sie bei sich. » Geh jetzt hinaus, Lilja « , sagt sie. Aber anstatt zu gehen, schlingt Lilja die Arme um Antonina.
    » Nein. Du brauchst mich jetzt, Tosja. Du brauchst mich. « Sie bedeckt Antoninas Wange mit Küssen. » Ich bleibe bei dir und tröste dich. «
    Einen kurzen Augenblick überlässt sich Antonina Liljas Liebkosungen, doch da ist etwas Schauriges in Liljas Gesichtsausdruck, etwas, was Antonina abstößt. Es ist, als würde diese körperliche Nähe sie erregen. Sofort zieht sich Antonina zurück. » Ich habe dir gesagt, dass ich allein sein möchte, also geh. « Ihr Ton duldet keinen Widerspruch.
    Lilja steht auf. » Gut, ich hole das Frühstück.

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