Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
Fragen.
Ljoscha wartet mit Michail in einem Vorzimmer; der Junge ist noch immer in Liljas Umhang gehüllt. Die Pelzmütze hält er in den Händen. Jemand hat ein altes Paar Filzstiefel für ihn aufgetrieben.
Als irgendwann Grischa durch den Vorraum geführt wird, nimmt Mischa einen tiefen, zittrigen Atemzug. Ljoscha legt ihm den Arm um die Schultern. Grischa bleibt vor ihnen stehen und sagt: » Ljoscha, sorg bitte dafür, dass die Gräfin das Geld bekommt. Es ist genug, damit sie die Steuerschulden begleichen und Angelkow noch einige Zeit halten kann. « Als Ljoscha nickt, sieht Grischa Mischa an.
Der Junge erwidert seinen Blick. » Grischa? « , flüstert er, ein Bündel von Fragen in diesem einen Wort.
» Michail Konstantinowitsch « , sagt Grischa. » Es tut mir leid. Ich wollte nie, dass dir so etwas zustößt. Nie. « Als der Hauptmann und ein weiterer Polizist ihn weiterziehen wollen, fragt Grischa: » Kann ich einen Brief schreiben? «
» Jetzt nicht « , sagt der Hauptmann. » Später können Sie eine Nachricht verfassen. «
» Ich werde deiner Mutter schreiben, Michail, und ihr alles erklären. Wirst du ihr sagen, dass ich ihr schreiben werde? «
Mischa fährt mit der Hand unter seine Kutte und bringt ein kleines ledergebundenes Notenheft zum Vorschein. Er schlägt es auf, reißt zwei Seiten heraus und reicht sie Grischa.
Der Hauptmann kommt ihm zuvor, nimmt die beiden Notenblätter und dreht sie stirnrunzelnd um.
» Das sind Notenblätter meiner Mutter « , sagt der Junge, » Grischa kann die Rückseite benutzen, um ihr zu schreiben. «
Der Hauptmann nickt, dann führen die beiden Polizisten Grischa ab.
Der Hauptmann tritt zu ihnen in den Vorraum und sagt, er werde Lilja, Ljoscha und Michail nach Angelkow zurückbegleiten. » Ich folge Ihnen mit dem Pferd « , fügt er hinzu. » Ich muss sicherstellen, dass der Junge Gräfin Mitlowskaja unversehrt zurückgebracht wird, und ihr unseren offiziellen Bericht überreichen. «
Ljoscha nimmt Haltung an und verneigt sich leicht vor dem Beamten, während seine Hand noch immer auf Mischas Schulter ruht.
Auf dem Weg nach draußen bittet der Hauptmann sie zu warten, bis er sein Pferd aus dem Stall geholt hat.
Bevor Michail in die Troika klettert, umarmt und küsst Lilja ihn. Es scheint, als wolle sie ihn gar nicht mehr freigeben, und Ljoscha berührt sie am Arm. Sie lässt Mischa gehen und dreht sich zu ihrem Bruder. Als er ihr die Hand reichen will, um ihr beim Einsteigen zu helfen, ergreift sie sie. Sie führt sie an ihre Lippen und küsst sie, dann schmiegt sie ihre Wange daran.
» Komm, Lilja, steig ein. «
» Sorg dafür, dass die Gräfin das ganze Geld bekommt, wie Grischa dir gesagt hat. «
Ljoscha fährt mit der Hand in seine Jackentasche. » Hier, nimm du es. Du solltest es ihr geben. «
» Nein. Du musst es tun. Ich fahre nicht mit euch zurück. «
» Du kommst nicht mit nach Angelkow? «
» Nein. Für mich bleibt jetzt nur noch eines zu tun. «
» Was redest du da? Die Gräfin wird dich jetzt, wo Mischa wieder da ist, mehr denn je … «
Sie fällt ihm ins Wort. » Nein. Es ist, wie ich gesagt habe. Die Gräfin braucht mich nicht mehr. Auf Angelkow gibt es keinen Platz mehr für mich. «
Ljoscha sieht sie eindringlich an. Ihr Gesicht ist blass, aber ihr Ausdruck ist gefasst, sie wirkt entschlossen. » Du weißt, dass Gott dich liebt, Lilja « , sagt er.
» Nein. Nicht seit ich diese schreckliche Tat in Grischas Haus begangen habe. «
» Aber Gott ist großherzig. Er wird dir vergeben. «
» Ich werde ihm mein restliches Leben widmen und ihn um Vergebung bitten. Auf Wiedersehen, Ljoscha. «
» Wo willst du hin? «
» Dorthin, wo ich nur Gutes tun kann. Nach Seltotscheewa. «
Ljoscha runzelt die Stirn. » Ins Kloster? «
» Dort bin ich willkommen. Man wartet auf mich. «
Ljoscha weiß, dass sie zu alt ist, um Nonne zu werden. Abgesehen davon nimmt der Orden nur adelige Frauen auf. Aber was soll er sagen? Er kennt Lilja gut genug, um zu wissen, dass es keinen Sinn hat, sie umzustimmen zu versuchen. Offensichtlich hat sie schon längst alles geplant. Wieder beschwört er das Bild herauf, wie sie in Grischas Haus steht, mit der blutbespritzten Waffe in den Händen. Und er ruft sich ins Gedächtnis, wie sie noch vor wenigen Stunden mit der Pistole auf Soso zielte.
» Wenn du es dir doch noch anders überlegst, komm nach Angelkow zurück. «
Sie schüttelt den Kopf, aber sie sieht ihn mit sanftem Ausdruck an. » Dies ist Teil
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