Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
Lampe entzündete. Seine Bitte erfreute Antonina; wenn sie las, war sie woanders und fühlte sich sicher. Sie schlug das Buch an der Seite auf, wo sie zuletzt aufgehört hatte, und las auf Französisch vor.
Nach zehn Minuten küsste Konstantin sie auf die Wange und stand auf. » Ich habe dem Lesen noch nie viel abgewinnen können. Ich hab’s mehr mit den Zahlen. Schlaf gut. «
» Danke « , sagte Antonina und fügte » mein lieber Gatte « hinzu, da sie wusste, dass sie Konstantin damit eine Freude machte.
Als er gegangen war, spürte sie einen Anflug von Freude.
In der vierten Woche ihrer Ehe kam Konstantin herein, als Antoninas Zofe ihr das Haar bürstete. » Steck es rasch hoch, bitte « , sagte Antonina leise, und die Zofe schlang gehorsam die dicken Zöpfe um ihren Kopf und befestigte sie mit Haarnadeln.
Seit sie vierzehn war und die Haare nicht länger mit Bändern zurückband, hatte außer ihren Kammermädchen niemand Antonina mit offenem Haar zu Gesicht bekommen. Mittlerweile reichte es ihr bis zur Taille, und sie fürchtete, dass Konstantin vielleicht denken könnte, dass sie zu jung aussah, wenn sie es offen trug.
Er hatte eine kleine rote Schachtel mit einer weißen Schleife in der Hand. Sie bemühte sich, ihre Enttäuschung über seinen Besuch zu verbergen. Sie war müde. Sie war den ganzen Nachmittag ausgeritten, hatte ein Bad genommen und sehnte sich jetzt danach, die Lampe auszumachen und ihre müden Muskeln zu entspannen. Ihr graute vor seiner umständlichen Art, ihre beiden Nachthemden hochzuschieben, seinen vergeblichen Versuchen, in sie einzudringen, und seiner fast mit Händen zu greifenden Enttäuschung, die unweigerlich folgte, ehe er dann schweigend vom Bett aufstand und leise die Tür ihres Schlafzimmers schloss, um in sein eigenes zurückzukehren.
Ohne den Morgenmantel auszuziehen, setzte er sich in den Sessel beim Kamin. Als die Zofe gegangen war, stand Antonina auf. Er erhob sich ebenfalls und hielt ihr das Geschenk hin.
» Was ist das? «
» Ich habe es gestern in Pskow entdeckt und musste an dich denken. «
» Danke. « Antonina nahm die Schachtel und zog die Schleife auf. Darin befand sich eine Spieldose aus Kirschholz mit einem Deckel mit Elfenbeinintarsien. Sie drehte den winzigen Messinghebel, und eine kurze Mozartsonate erklang. Das erinnerte sie an das Leibeigenenorchester, das die Sonate sechs Monate zuvor auf ihrem Fest gespielt hatte. Das Bild von Walentins Händen auf den Hüften ihrer Mutter schob sich vor ihr geistiges Auge, und sie spürte ein sanftes Ziehen in ihrem Unterleib.
Während die Musik aus der Spieldose erklang, stellte sie sie auf den Tisch. » Wie hübsch. Und wie aufmerksam von dir, Konstantin. «
Er nickte und löschte die Lampe auf dem Ankleidetisch. Nur das Kaminfeuer und die Kerze neben dem Bett spendeten noch Licht.
Antonina sah ihn fragend an.
» Lass uns tanzen « , sagte er.
» Hier, in meinem Schlafzimmer? « Antonina lächelte. » So spät noch? «
Statt zu antworten, nahm er Tanzhaltung an, hob die Arme, und Antonina folgte seiner Einladung.
Zur Musik aus der Spieldose führte er sie durchs Zimmer und wich mühelos den Möbelstücken aus. Das Feuer warf flackernde Schatten auf die Wände. » Ich erinnere mich, wie ich dich zum ersten Mal tanzen sah « , sagte er. » Es war bei einem Ball auf dem Gut deiner Eltern. Du musst dreizehn oder vierzehn gewesen sein. Du warst ein bezauberndes Kind. «
Antonina sah ihn an. Er überragte sie um nur wenige Zentimeter; nicht gerade eine imposante Größe, aber seine gerade, stolze Haltung ließ ihn stattlicher erscheinen.
» Auch später bist du mir das eine oder andere Mal beim Tanzen aufgefallen. Wie leicht du dich bewegtest, und gleichzeitig vorsichtig, als wolltest du deinem Partner jeden Moment entwischen. «
Antonina musste lachen. » Je nachdem, mit wem ich gerade tanzte, könnte es schon sein, dass ich mir gerade vorstellte, ich sei ein wildes Tier auf dem dunklen Kontinent Afrika, das seinem Verfolger zu entkommen versucht. « Sie drehten sich ein weiteres Mal durch den Raum. » Ich habe ein Buch über Afrika, Konstantin, mit Zeichnungen von den erstaunlichsten Tieren und merkwürdigen dunkelhäutigen Menschen. Ich würde gern eines Tages dorthin reisen. Denkst du, wir könnten je eine solch weite Reise unternehmen, bis nach Afrika? «
» Afrika? Du bist wirklich ein seltsames Mädchen. «
Ihr Lächeln erstarb. » Bitte nenne mich nicht Mädchen. Ich bin deine Frau. «
» Du hast
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