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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Grünwald mitbeten. Und der Möllrich auch, der alte Heide.«
    Hasselbrinck machte eine Pause und kratzte sich am Kinn. »Tja, und weil da noch ein Restbetrag für die Behandlung vom Burck aufgelaufen war, hab ich dem Möllrich Rechnungen in die Hand gedrückt, damit er sie Burcks Familie in Bad Grund gibt. Die wird nicht gerade begeistert sein, weil Gottwald ja tot ist und sie trotzdem bezahlen muss. Aber es hilft ja nix, wir arbeiten hier nicht für Gotteslohn, und der Herr Professor hat’s nicht gern, wenn Beträge zu lange ausstehen. Wenn das Hospital sich nicht rechnet, sagt er immer, ist niemandem damit gedient. Dann können wir den Laden zumachen.«
    »Sicher, sicher.« Abraham fiel ein, dass er es versäumt hatte, dem Werksarzt Tietz und auch den Angehörigen von Gottwald ein Schreiben mitzugeben. Das war wirklich ärgerlich. Auch der Umstand, dass er, selbst wenn er daran gedacht hätte, kaum dazu gekommen wäre, vermochte ihn wenig zu trösten. Nun, wenn alles gutging, würde Pentzlin demnächst nach Bad Grund zurückkehren, heil und gesund, und bei der Gelegenheit ein paar Briefe mitnehmen können. »Ich gehe jetzt auf meine Stube, um noch ein wenig zu arbeiten. Ist sonst alles in Ordnung?«
    »Jawoll, Herr Doktor. Sieht nach einer ruhigen Nacht aus.«

[home]
    Von dannen Er kommen wird,
zu richten
die Lebendigen und …
    B eim abendlichen Essen ging es der Zimmerwirtin besser. »Die Beine wollen wieder«, sagte sie, während sie den letzten Löffel ihrer Lauchsuppe zum Mund führte. »Gutes Heilfleisch ist eben doppelt und dreifach wichtig. Der Julius, der würd mir da recht geben. Ach, der Julius! Da hat man schon einen Arzt im Haus, und dann ist er nie da. Na ja, ich bin viel zu taktvoll, um das Thema auf den Tisch zu bringen. Alena, was schaust du so betreten drein? Es ist alles gut, und die Nägel stecken fest.«
    »Jawohl, Mutter Vonnegut.« Alena hatte fast nichts gegessen, was keineswegs daran lag, dass sie die Speise schon vorher mehrfach abgeschmeckt hatte, sondern vielmehr an ihrer Ungeduld.
    Sie saß wie auf Kohlen, denn seit Hasselbrinck am Nachmittag da gewesen war, zog es sie mit Macht zum Hospiz am Geismartor.
    »Nicht wahr, Alena, heute Abend schaffst du mir die Küchenarbeit noch mal allein? Die Venen im Bein fühlen sich wohl schon wieder brav an, aber ein Hosianna sind sie noch nicht wert. Ich werd ihnen nachher noch mal mit essigsaurer Tonerde zu Leibe rücken. Fünf Esslöffel Erde und die rechte Portion Wasser, die allerdings höchstens lauwarm sein darf, so steht’s im Rezept von meiner guten Mutter. Das wird eine Linderung sein,
grandiose!
Da brauchst du, Claus, dich gar nicht so zu
mokiren.
Du weißt doch, Mutter Vonnegut sieht alles! Nimm deine Gesichtszüge zusammen und sei froh, dass der liebe Gott dir junge Stelzen gegeben hat. Alt werden die noch früh genug, das lass dir gesagt sein.«
    »Jawohl, Mutter Vonnegut.«
    »Morgen, Alena, kannst du wieder mit mir rechnen. Das heißt, nachdem ich auf dem Albani-Friedhof war. Ich hab mir dort ein Grab gekauft.«
    Von den
Burschen,
die bislang mehr oder weniger geschwiegen hatten – nicht, weil sie nichts zu sagen gehabt hätten, sondern weil es am Tisch verpönt war, mit vollem Mund zu sprechen –, fragte Hannes forsch: »Aber was wollt Ihr denn mit einem Grab, Mutter Vonnegut? So weit ist es bei Euch doch noch lange nicht?«
    »Papperlapapp, schmier einer alten Frau keinen Honig um den Bart. Das Sterben gehört zum Leben wie das Salz zur Suppe. Den Friedhof gibt es noch nicht so lange, seit dem Jahr dreiundachtzig, glaube ich. Jedenfalls liegt da noch nicht so viel Gebein herum, und das will mir gefallen. Der Steinmetz Grothe hat mir einen lichtechten Rosenquarz hergerichtet, mit meinem Namen drauf und dem von meinem Mann. Adalbert, mein Seliger, liegt in Frankfurt, mein Sohn pflegt sein Grab, aber ich will, dass er umgebettet wird. Grins nicht so frech, Amandus, ich meine natürlich meinen Adalbert. Er war ein guter Mann, der mit einem nicht gar zu spitzen Pantoffel regiert werden konnte. Er soll bei mir sein, wenn’s mal so weit ist. Grothe soll dann nur noch mein Sterbedatum in den Quarz meißeln, zusammen mit dem Spruch
Die Liebe höret nimmer auf.
Das muss reichen bis zum Jüngsten Gericht.«
    »Ja, Mutter Vonnegut«, ertönte es von verschiedenen Seiten des Tisches.
    »Nanu, was schaut ihr alle so sauertöpfisch drein? Nur weil ich vom Sterben rede? Das Grab wird schön, das sag ich euch. Die Gärtner sollen

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