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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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keinen Erfolg.
    Es schien, als habe Hansi, der fröhliche Melder, sein Leben umsonst gegeben.
     
     
    Einen Tag später, man schrieb Sonntag, den neunzehnten April, befand sich Abraham mit seinen Puppen auf dem Ziegenmarkt nahe dem Albaner Tor und gab eine Vorstellung. Er hatte den Ort mit Bedacht gewählt, denn am siebten Tag der Woche, nach Kirchgang und einem üppigen Mittagsmahl, pflegten die Göttinger gern einen Verdauungsspaziergang zu machen, welcher sie vorzugsweise auf den Wall führte – und damit auch zum Albaner Tor.
    Natürlich wusste er, dass es gewisse Regeln gab, die er als
Studiosus
einhalten musste, aber nachdem seine Darbietungen in Göttingens Umgebung schon sattsam bekannt waren, hatte er keine andere Möglichkeit gesehen, als direkt in der Stadt zu spielen. Und vielleicht war das auch gut so. Immerhin liefen am Sonntag nicht nur viele Bürger über den Wall, sondern auch viele junge Kerle, die schmachtende Blicke nach deren Töchtern warfen. Die Kerle zu unterhalten, würde nicht weiter schwer sein. Man musste nur kurze und freche Texte anbieten, und vor allem: witzige.
    »Ahoi, ihr Landratten«, rief der Schiffer, der wie die anderen Puppen auf dem Karren saß, »könnt ihr mich hören?«
    Das konnten die Leute gut, allerdings fragten sie sich, wer dem Schiffer seine Stimme lieh, denn auf dem Karren war kein Bauchredner zu entdecken. Genau das hatte Abraham beabsichtigt. Er stand mitten unter den Zuhörern und tat so, als wäre er selbst einer.
    »Wenn ihr mich hören könnt, ihr Landratten, dann will ich euch mal ’n büschen Seemannsgarn vertellen: Ich war neulich im Anatomischen Theater, das liegt drei Strich backbord vom Botanischen Garten, wie ihr vielleicht wisst, da hat mir der Professor den Bauch aufgeschlitzt und einen Schwamm drin vergessen!«
    »Mon Dieu!«,
rief das Burgfräulein. »Einen Schwamm?«
    »Genau.«
    »Und? Hast du seitdem große Schmerzen?«
    »Nö, aber immer großen Durst!«
    Die Puppen lachten.
    Auch die Zuschauer lachten. Und mit ihnen Abraham. Er hatte ursprünglich erwogen, den Leiter des Anatomischen Theaters, Professor Wrisberg, namentlich zu erwähnen, um den Witz authentischer zu machen, es dann aber lieber gelassen. Wenn herauskam, dass er es war, der hinter dieser Darbietung stand, war die Sache auch so schon brisant genug.
    »Impertinent!«,
empörte sich das Burgfräulein. »So spricht man nicht in Anwesenheit einer Dame.«
    »
Silentium,
alte …«
    »Aber, aber, Majestät!«, unterbrach der Schultheiß.
    »
Silentium,
alte Vettel!«, brüllte Friedrich noch lauter. »Man wird die Dinge wohl noch beim Namen nennen dürfen. Da wirst auch du mich nicht dran hindern, Schultheiß! Ich zum Beispiel hab seit Tagen keinen Stuhl, also ließ ich heute Morgen Selle, meinen Leibarzt, kommen, und weißt du, was der mir geraten hat?«
    »Nein«, sagte der Schultheiß. »Was denn?«
    »Setzt Euch erst mal, Majestät!«
    In das aufflackernde Lachen der Zuschauer, denn nicht jeder hatte den Witz gleich verstanden, rief der Söldner: »Das ist ja noch gar nichts! Ich war heute Morgen auch beim Arzt. Ich sage zu ihm: ›Herr Doktor, helft mir, ich bekomme seit Tagen meine Vorhaut nicht zurück!‹ Da sagt er: ›Aber, aber, so was verleiht man ja auch nicht!‹«
    Geteilte Heiterkeit. Die meisten der jungen Männer wieherten, Ältere schmunzelten, und einige junge Zuhörerinnen erröteten. Was sie aber nicht davon abhielt, zu bleiben.
    Der Landmann, der zwischenzeitlich wach geworden war, wollte ebenfalls seinen Teil beisteuern und sagte: »Ich war auch beim Arzt, ich hatte es im Kreuz, dachte, ich müsste sterben vor Schmerzen. Da sagt der Arzt zu mir: ›Ich verschreibe dir Moorbäder.‹ Ich sage: ›Wieso Moorbäder?‹ Darauf er: ›Damit du dich schon mal an die feuchte Erde gewöhnst.‹«
    Brüllendes Gelächter, besonders bei den Männern.
    »Ich weiß auch noch einen Witz«, sagte die Magd. »Kennt jemand die am weitesten verbreitete Augenkrankheit? Es ist die Liebe auf den ersten Blick.«
    Ein Mann Anfang zwanzig, der sich bisher zurückgehalten hatte, rief höhnend: »Na und, soll das ein Witz sein? Das ist ja ein Witz von einem Witz!«
    Einige der Zuhörer belohnten sein Wortspiel mit einem Lachen.
    »Kein Mensch kann so etwas lustig finden!« Der Aufzug des Zwischenrufers wies ihn als Pommeraner aus, denn er trug einen dunkelblauen Rock, eine hüftlange weiße Weste sowie eine ebenso farbene Kniebundhose. Komplettiert wurde seine Staffage durch einen

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