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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau
Autoren: Wolf Serno
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wollte Abraham verneinen, aber ein Leugnen war natürlich sinnlos. »Ja«, sagte er deshalb und betrachtete den Jüngling genauer. Er sah in ein klares Gesicht mit hoher Stirn und lebhaften, freundlichen Augen. »Ja«, sagte Abraham abermals und fügte bitter hinzu: »Ich wollte etwas Geld verdienen, aber das ist, wie du sicher gemerkt hast, gründlich misslungen.«
    Der Jüngling lächelte scheu. »Mir hat es insgesamt recht gut gefallen. Darf wenigstens ich meinen Beitrag leisten?« Er grub in seinen Taschen nach Münzen.
    »Nein.«
    »Aber warum denn nicht? Ich denke, das war der Zweck Eures Auftritts?«
    Abraham hätte nicht genau zu erklären vermocht, warum ihm das Geld des Jünglings nicht willkommen war, vielleicht, weil er es in diesem Augenblick als Almosen empfunden hätte, vielleicht auch nicht, in jedem Fall antwortete er: »Behalte dein Geld. Die Vorstellung war nicht besonders gelungen. Ich habe schon bessere gegeben. Witze zu erzählen ist nicht gerade meine Stärke.«
    »Ein paarmal musste ich wirklich lachen.«
    Abraham runzelte die Stirn. »Du bist sehr höflich, das ist ungewöhnlich für einen jungen
Fuchs
wie dich. Du bist doch ein
Fuchs?
«
    »Ja, mein Name ist Heinrich von Zettritz.«
    »Und ich bin …« Abraham zögerte, aber früher oder später würde der Jüngling ihn ohnehin an der Universität sehen, und deshalb war es Unsinn, aus seiner Identität ein Geheimnis zu machen. »Ich bin Julius Abraham,
Studiosus
der Medizin und
Philistrant.
« Und da er das immer wiederkehrende Echo auf die Diskrepanz zwischen seinem Alter und seinem Status mehr als leid war, fügte er rasch hinzu: »Ich weiß, dass ich nicht mehr der Jüngste bin. Aber ich will unbedingt Mediziner werden.«
    »Genau das will ich auch!« Heinrich strahlte. »Ich finde, um Mediziner zu werden, ist man nie zu jung oder zu alt.«
    »Donnerwetter!«, entfuhr es Abraham. »Das hat, glaube ich, außer dir noch niemand erkannt. Trotzdem ist es richtig.«
    »Darf ich Euch zu einem Bier einladen?«
    »Nein danke, aber du kannst ruhig Julius zu mir sagen, schließlich sind wir von derselben Fakultät.«
    »Schade.« Heinrich blickte so enttäuscht, dass er einem fast leidtun konnte.
    Abraham legte sich die Ledergurte um, wurde aber vom Schiffer aufgehalten: »Abraham, du Spießer, was steuerst du für einen Kurs? Leg das Ruder rum und sag: ›Aye, Sir!‹«
    »Genau!«, brüllte der Söldner. »Früher hast du dich nicht so geziert, wenn dich einer zum Saufen einlud.«
    »Brauchst du etwa eine Extra-
Invitation?
«, ereiferte sich Friedrich.
    Heinrich lachte. »Ich schlage vor, du hörst auf deine Puppen, Julius, sie scheinen ein Teil von dir zu sein.«
    Abraham hielt inne, das zweite Mal hatte Heinrich ihn überrascht. »Das sind sie in der Tat, jede auf ihre Weise.«
    »Vielleicht hast du Lust, mir mehr über sie zu erzählen? Ich schlage vor, wir gehen zum
Schnaps-Conradi.
«
    »Zum
Schnaps-Conradi?
«
    »Ich weiß, die Kneipe hat keinen besonders guten Leumund, aber ich wohne im Büttnerschen Haus in der Prinzenstraße zwei, das ist ganz in der Nähe. Die Straße wurde übrigens benannt nach den drei englischen Prinzen, die im selben Haus logieren, und die gehen da auch hin, so sagte man mir. Ein gewisser Professor Lichtenberg begleitet sie häufig, denn sie stehen unter seiner Obhut.«
    Abraham grinste schief. »Wenn sogar die Söhne Georgs  III . dort verkehren und der Professor Lichtenberg dazu, kann ich natürlich nicht ablehnen.«
    »Fein, dann gehen wir also?«
    »Ja, aber ich habe nicht allzu viel Zeit.«
    »Und was wird aus uns?«, empörte sich das Burgfräulein. »Willst du uns hier in der Gosse stehenlassen?«
    »
Silentium,
alte Dörrpflaume!«, schimpfte Friedrich. »Abraham wird uns in der Güldenstraße absetzen, das liegt fast auf dem Weg.«
    »Genau das werde ich, liebes Burgfräulein.« Abraham dachte an Alena, die seit zwei Tagen von der Witwe zum Frühjahrsputz eingeteilt war und ohnehin für ihn keine Zeit haben würde, und legte sich ins Geschirr.
    »Soll ich dir helfen?«, fragte Heinrich.
    »Nein, nein, es geht schon.« Abraham musterte Heinrich aus dem Augenwinkel und fand, dass der junge
Bursche
fast noch graziler gewachsen war als Alena. »Ich habe meine Puppen schon über ganz andere Strecken gezogen. Aber das ist einige Zeit her.«
    »Erzählst du mir davon?«
    »Nur wenn du nicht damit hausieren gehst. Der Prorektor und die
Deputation
brauchen nichts davon zu wissen.«
    »Ich schwöre es!«
    »Das
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