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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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auf die Nase zu binden, dass sie über den Status einer Novizin niemals hinausgekommen war. »Ich bin auf Wunsch des jungen Herrn Franz hier und will diesem Haus Trost spenden.«
    Statt einer Antwort beugte die Köchin sich zur Tür hinaus und rief: »Emil, Most! Vom guten! Und zwei Gläser.«
    Der ›Emil‹-Gerufene beeilte sich, dem Befehl nachzukommen, und kurz darauf saß Alena Most trinkend der Beherrscherin der Küche gegenüber. »Der Papierkram bringt mich noch mal um! Ich bin Köchin und kein Schreiberling.«
    »Gewiss, und Euer Name …?«
    »Else, wenn’s beliebt. Ich sag Euch, ich mach Euch aus nichts eine
Consommé
mit Eierstich, die selbst unser Kaiser Joseph nicht verschmähen würde, aber das Kalkulieren mit Zahlen bis zum letzten Gran Mehl, das macht mich verrückt.«
    »Das verstehe ich.« Alena hob ihr Glas. »Trinken wir auf Eure Kochkünste, Else, und verdammen wir alle Federkiele und Tintenfässer dieser Welt.«
    »Da sagt Ihr was.« Etwas wie ein Lächeln erhellte Elses strenge Züge. »Ihr gefallt mir, Schwester Alena. Ihr redet nicht so etepetete wie viele Eurer Zunft – äh, wenn ich das sagen darf.«
    Alena lächelte. »Also, auf Eure Kochkünste.«
    »Prost, auf meine Kochkünste.« Die Köchin leerte ihr Glas mit einem Zug und schenkte sich nochmals ein. »Und auf den lieben Gott, der meine Herrin zu sich genommen hat.«
    »Prost.« Alena jubelte innerlich, denn Else hatte ihr das passende Stichwort geliefert. »Auf unseren Herrgott will ich gern mit Euch trinken, und auf die Verstorbene auch. Wie war sie denn?«
    »Ach, was soll ich sagen. Wie die Gnädigen so sind. Hatte nicht viel mit ihr zu tun. Wilhelm, ihr persönlicher Diener, hat immer alles mit mir besprochen. Welches Essen, wie viele Gänge und so weiter. Es musste immer vom Besten sein, aber kosten durfte es nichts. Na ja, ist wohl überall so.«
    Alena schwieg und hoffte auf weitere Einzelheiten.
    »Wilhelm sagt, die Gnädige wär unglücklich gewesen. Die Ehe war nicht so gut. Vier Söhne, zwei Töchter, drei Totgeburten. Und der Gnädige war trotzdem hinter jeder Schürze her. Oh, vielleicht sollte ich jetzt lieber den Mund halten.«
    »Natürlich.« Alena überlegte, wie sie die Quelle wieder zum Sprudeln bringen könnte, und versuchte es mit einer Halbwahrheit. »Ich bin auch einmal betrogen worden. Ich fand auf dem Gehrock meines Geliebten zwei blonde Haare. Wie Ihr seht, bin ich schwarzhaarig …«
    Die Ansprache von Frau zu Frau hatte die gewünschte Wirkung. Else trank einen Schluck und redete weiter: »Na ja, wenn Ihr’s wie eine Art Beichtgeheimnis behandelt, will ich Euch sagen, was die Spatzen vom Dach pfeifen, ich mein, dass der Gnädige noch ein paar weitere Kinder hat, von verschiedenen Frauen. Aber jetzt sitzt er da oben am Totenbett und spielt den trauernden Ehemann. Und der arme junge Herr weiß nicht, wie er sich der Verwandtschaft erwehren soll. Und wenn Ihr’s genau wissen wollt, Schwester: Ich weiß es auch nicht. Die Herrschaften sitzen nur herum, ziehen übereinander her, statt zu trauern, und verlangen überdies drei reichhaltige Mahlzeiten am Tag. Kaffee mit Kardamom und Kuchen mit Schlagsahne noch nicht mal mitgerechnet. Es wird höchste Zeit, dass die Gnädige unter die Erde kommt, aber solange der Gnädige da oben den Zerberus spielt, wird sich da wohl nichts ändern.«
    »Ich will sehen, was ich machen kann. Ich muss nun gehen. Danke für den Most. Ach, übrigens, Ihr habt eine reizende kleine Tochter.«
    »Die ihren Vater nicht kennt. Aber mehr will ich dazu nicht sagen.«
    Alena verabschiedete sich und verließ die Küche. Sie ging die große Treppe hinauf in den ersten Stock, wo sie hoffte, Wilhelm, den persönlichen Diener der Gnädigen, anzutreffen. Sie hatte Glück, sie traf ihn in einem Nebenraum, wo eine Reihe hoher Vitrinen mit edlen Porzellanfiguren stand. Wilhelm war dabei, einen prachtvollen springenden Rappen mit dem Staubwedel zu bearbeiten. Alena näherte sich unbemerkt und betrachtete ihn. Seine Hände zeigten große Stellen von
vitiligo,
der Weißfleckenkrankheit. Er musste es also sein. Die Köchin hatte ihr von Wilhelms Hautkrankheit erzählt. »Ich möchte nicht stören«, sagte sie.
    Wilhelm fuhr zusammen. »Habt Ihr mich erschreckt! Wer seid Ihr?«
    »Ich bin Alena. Der junge Herr Franz hat mich gebeten, diesem Haus Trost zu spenden.«
    »Davon hat er mir gar nichts gesagt.« Wilhelm holte ein Paar Handschuhe hervor und streifte sie rasch über.
    »Ich bin gerade erst

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