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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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Dirigent. So haben sich meine Eltern auch kennengelernt. Als mein Vater mit seinem Orchester, das er leitete, einen Auftritt in Weymouth hatte und er und meine Mutter sich das erste Mal ansahen, wussten beide, dass sie für den Rest ihres Lebens zusammenbleiben würden. Nach meiner Geburt zogen wir für einige Zeit nach Spanien, doch meine Mutter vertrug die Sommerhitze nicht, und so kehrten wir nach England zurück. Vater besuchte uns, sooft es seine Tourneen zuließen, und meine Mutter und ich reisten im Winter nach Spanien, wo es deutlich angenehmer als im kalten und feuchten England ist.«
    »Was machen deine Eltern heute?«, fragte Susan mehr aus Höflichkeit denn aus Interesse.
    »Meine Mutter starb vor fünf Jahren, und mein Vater ist nach Südamerika gegangen. Ich glaube, nach Argentinien oder Chile. Manchmal schreibt er, und ich schreibe ihm zurück, aber wir sind beide keine großen Briefeschreiber.«
    »Das tut mir leid.« Dieses Mal meinte es Susan ehrlich. »Dann hast du dich die letzten Jahre ganz allein durchschlagen müssen?«
    Esperanza sah Susan von oben herab an und lächelte spöttisch.
    »Mit fünfzehn Jahren hatte ich mein erstes Engagement, seitdem stehe ich regelmäßig auf der Bühne. Von Durchschlagen kann also keine Rede sein. Mir ist es immer gut ergangen.«
    »Trotzdem hast du das Royal Court verlassen und bist bei einer kleinen Bühne gelandet.« Diese Spitze konnte Doro sich nicht verkneifen.
    Esperanza schenkte ihr einen kühlen Blick.
    »Das Leben ist geprägt von ständigen Veränderungen. Das ist gut so, sonst wäre es doch sehr langweilig, oder? Ich finde das Blue Horizon sehr interessant, und es macht bestimmt Spaß, vor dem einfachen Volk zu spielen. Warum sollte ich nicht mal eine andere Seite an mir ausprobieren?«
    Susan spürte, dass sie die Wahrheit, warum Esperanza eines der größten Londoner Häuser wirklich verlassen hatte, nicht von ihr erfahren würde. Eigentlich war es ihr auch egal, weshalb die kapriziöse Halbspanierin jetzt am
Blue Horizon
spielte. Theo befand sie für gut, wenngleich er mit Kritik nicht sparte, und da Susan sich in der Truppe wohl fühlte, wollte sie versuchen, sich mit Esperanza zu arrangieren.

14. Kapitel
    D ie Proben gingen gut voran, Susan machte die neue Rolle, in der sie ihr ganzes Talent zeigen konnte, großen Spaß. Gleichzeitig spielten sie noch an drei Abenden in der Woche das alte Stück, und manchmal legte sogar Esperanza ein freundliches Verhalten an den Tag, das sie regelrecht sympathisch machte.
    Die Premiere von
Irrungen am Covent Garden
war auf den ersten Samstag im Mai angesetzt, und die letzten Wochen waren wie üblich von hektischer Betriebsamkeit geprägt. Kostüme mussten ausgebessert oder neu angefertigt werden, eine neue Dekoration wurde gezimmert und gemalt, und die Musiker probten bis spät in die Nacht mit den Schauspielerinnen, die Gesangsparts hatten, damit die Töne übereinstimmten. Susan schlief wenig und aß unregelmäßig, sie liebte jedoch diese Zeit und empfand sie nicht als Stress, denn so kam sie nicht dazu, an ihre verlorenen Kinder zu denken. Vor zwei Jahren hatte sie erneut einen Privatdetektiv beauftragt, Paul zu finden, doch auch seine Bemühungen waren erfolglos geblieben und hatten Susan nur eine Menge Geld gekostet. Paul, Jimmy und diese Rose schienen vom Erdboden verschluckt zu sein. Paul, vorzeitig aus der Haft entlassen, sollte sich zwar regelmäßig bei den Behörden melden – was er nicht getan hatte –, diese waren jedoch derart überlastet, dass niemand Interesse daran hatte, Paul Hexton aufzuspüren. Sicher hatten er und Jimmy London längst verlassen, waren vielleicht sogar ins Ausland gegangen. Es war schwer, aber Susan musste sich damit abfinden, Jimmy wohl niemals wiederzusehen, ebenso wie sie Anabell niemals in ihre Arme schließen würde.
     
    Am Nachmittag des Premierenvortages ging Susan allein nach Knightsbridge. Von Joan war ihr ein Hutgeschäft empfohlen worden, das schicke Mode zu erschwinglichen Preisen anbot, und Susan brauchte für den kommenden Sommer einen neuen Hut, denn ihr bisheriger war an den Kanten schon etwas ramponiert. Nach kurzer Suche und bei guter Beratung fand Susan ein Modell aus hellem Stroh mit einem duftigen Schleier und aus Wolle und Stoff gefertigten Früchten – »Das ist der letzte Schrei aus Paris, wir haben die Modelle gerade eben erst hereinbekommen«, meinte die Verkäuferin –, und Susan trat bestens gelaunt auf die Straße. Der Frühling

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