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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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ausreichen.« Susan lächelte unbekümmert und schenkte sich aus der silbernen Kanne Tee nach. »Es ist zwar lange her, aber früher konnte ich gut backen, leider hatte ich immer zu wenig Geld, um Pralinen herzustellen. Ich denke jedoch, ich … wir bekommen das gemeinsam hin.«
    Rosalinds Zweifel waren noch nicht ausgeräumt.
    »Ich kann in ein Geschäft keinen Penny einbringen«, sagte sie leise, damit die anderen Gäste ihrer Unterhaltung nicht folgen konnten. »Ich besitze nicht mehr als die Kleider, die ich am Leib trage, und selbst diese wurden von dir bezahlt.«
    »Vielmehr von Daniel Draycott«, erinnerte Susan sie und ignorierte den Stich, der ihr bei dem Gedanken an ihn durchs Herz schoss. »Als Nächstes werde ich ihm das Geld, das er uns freundlicherweise geliehen hat, zurückgeben. Daniel meinte, mittels Bankanweisung wäre dies auch über den Atlantik hinweg problemlos möglich. Nun, ich werde das noch heute regeln, ich mag es nicht, jemandem etwas schuldig zu sein.«
    »Soll ich dich begleiten?«, fragte Rosalind.
    Susan schüttelte den Kopf. »Du siehst müde aus, versuch, noch ein paar Stunden zu schlafen, bis ich wieder zurück bin. Heute Nachmittag ziehen wir dann los und schauen, was für Ladengeschäfte angeboten werden. Ich denke, wir sollten in der Gegend, in der sich meine Wohnung befindet, suchen, um einen kurzen Weg zu haben, da ich die Waren in meiner eigenen Küche herstellen werde.«
    Je länger Susan über die Idee, ein Süßwarengeschäft zu eröffnen, nachdachte, desto mehr begeisterte sie sich dafür und hatte schon eine grobe Vorstellung der Einrichtung vor Augen. Damals, auf Sumerhays, hatte sie bereits mit dem Gedanken gespielt, sich selbständig zu machen, und Lavinia Callingtons tausend Pfund hatte sie ursprünglich dafür verwenden wollen, doch nach dem Verlust Jimmys hatte sie sich zu nichts mehr aufraffen können. Danach war sie mehr oder weniger zufällig in die Schauspielerei hineingestolpert und hatte den Gedanken an eine Selbständigkeit verworfen. Noch war es nicht zu spät, ihre einstigen Träume zu verwirklichen. Dabei würde sie natürlich die Suche nach Paul und Jimmy nicht außer Acht lassen. Wahrscheinlich würde sie wieder einen Detektiv engagieren müssen, um ihren Sohn zu finden. Wenn sie jedoch ein eigenes, gutgehendes Geschäft vorweisen konnte, würde sie Jimmy sicherlich zu sich holen können. Susan war überzeugt, dass Paul nach wie vor krummen Geschäften nachging. Sie musste einen Richter nur davon überzeugen, dass ein kleines Kind bei ihr, einer erfolgreichen Geschäftsfrau, besser aufgehoben war als bei einem ehemaligen Straftäter, der es mit dem Gesetz nicht so genau nahm.
    Euphorisch und voller positiver Gedanken machte Susan sich auf den Weg zur Bank. Das Bankhaus
Manson & Hailsham
lag in der City, nicht weit von der imposanten Kathedrale St. Pauls entfernt. Während Susan auf das beeindruckende Portal mit den fünf, der Gotik nachempfundenen Säulen zuging, erinnerte sie sich an ihre einstige Abneigung gegenüber Banken. Sie schmunzelte, als sie daran dachte, wie sie Lavinia Callingtons Geld in einer Reisetasche mit sich herumgetragen und unter dem Bett versteckt hatte. Wenn sie sich vorstellte, sie würde das heute immer noch so handhaben, dann hätte sie ihr gesamtes Vermögen – das nicht unerheblich war – mit auf die
Titanic
genommen, und es würde nun auf dem Grund des Atlantiks liegen. Bei dieser Vorstellung fröstelte sie, obwohl es ein warmer Tag war. Bei dem Unglück hatte sie zwar mehrere hundert Pfund verloren, denn die Reederei entschädigte die Überlebenden nicht für deren Verluste, wenn diese keine Quittungen vorweisen konnten – und da Kingsley ihr Geld auf seinen Namen im Safe deponiert hatte, konnte Susan keine Ansprüche geltend machen –, auf ihrem Konto war jedoch noch genügend Geld, ihre Pläne zu verwirklichen.
    Kühle empfing Susan, als sie die drei Stockwerke hohe und mit Marmor und dunklem Holz ausgekleidete Empfangshalle des Bankhauses betrat. Die Schalter hatten erst vor wenigen Minuten geöffnet, es herrschte noch nicht viel Betrieb. Susan sah sich um, konnte ihren Finanzberater aber nirgends entdecken, darum wandte sie sich an den Herrn am Informationsschalter.
    »Guten Morgen, ich möchte gern Mr. Noland sprechen«, sagte sie freundlich.
    Der ältere Herr musterte sie über die Gläser seiner randlosen Brille.
    »Es tut mir leid, aber Mr. Noland ist nicht mehr in unserem Unternehmen

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