Das Lied der Luege
folglich Witwer. Allein die Tatsache, was dies ihm für Scherereien bereiten würde, hob Susans Stimmung. Paul hatte es nicht anders verdient, da er sich ihr ganzes Vermögen unter den Nagel gerissen hatte.
»Einen entzückenden Sohn haben Sie.« Susan hatte ihre Mimik und ihre Stimme gut im Griff, sie war nicht umsonst eine erfolgreiche Schauspielerin gewesen.
»Ach nein, Jimmy ist der Sohn meines Mannes aus erster Ehe. Er war Witwer, müssen Sie wissen.«
Die junge Frau ließ Susan an sich vorbei in ein kleines Wohnzimmer treten. Vor dem offenen Kamin befanden sich ein Sofa und zwei Sessel, an der rechten Seite ein Esstisch mit vier Stühlen und an der fensterlosen Wand eine Kommode. Die Einrichtung war einfach, aber ordentlich und sauber. Immerhin hatte sich Paul mit der Wahl dieser Frau gegenüber früher deutlich verbessert. Die junge Frau bemerkte, wie Susans Blick über die Einrichtung glitt, und sagte entschuldigend: »Wir sind noch nicht vollständig eingerichtet. Es braucht Zeit, ein Haus zu einem gemütlichen Heim zu machen.«
Susan nickte und nahm in einem der Sessel Platz. Mrs. Hexton, wie sie meinte, sich rechtmäßig so nennen zu dürfen, bot Susan Tee an, die jedoch freundlich ablehnte. Pauls Frau nahm ihr gegenüber Platz. Susan scheute sich nicht, sie näher zu betrachten. Sie sah nicht schlecht aus, wenngleich sie keine strahlende Schönheit war. Dazu standen ihre Augen zu eng, und ihre Nase war breit und etwas zu lang. Dies glich sie jedoch mit ihrer Jugend und ihrer schlanken Figur aus.
»Möchten Sie gar nicht wissen, warum ich Ihren …
Mann
sprechen möchte?«, fragte Susan direkt.
»Sie werden Ihre Gründe haben.« Die Frau sah Susan offen ins Gesicht. »Paul sagt immer, ich müsse nicht alles wissen. Damit hat er recht, ich frage manchmal wirklich zu viel. Ich bin nämlich etwas neugierig.« Sie kicherte verlegen und wirkte dabei wie ein Schulmädchen. »Er ist schließlich der Mann und bringt das Geld nach Hause, und als gute Ehefrau habe ich die Wünsche meines Mannes zu erfüllen.«
Um Susans Mundwinkel zuckte es verdächtig, sie beherrschte sich jedoch. Da hatte Paul sich ja ein schönes Dummchen angelacht. Nun, das könnte ihr gleichgültig sein, wenn es nicht um das Wohl Jimmys ging. Leider war der Junge den Damen nicht in das Wohnzimmer gefolgt, so brachte Susan das Gespräch wieder auf ihn.
»Sie erwähnten, dass Sie erst seit kurzem verheiratet sind. Dennoch nennt der Junge Sie Mutter. Sie und Paul kennen sich also schon länger?«
Kate Hexton schüttelte den Kopf.
»Wir haben uns zwei Wochen, bevor wir heirateten, kennengelernt. Paul machte mir sofort einen Antrag, und mein Vater meinte, ich solle ihn annehmen. Paul besteht darauf, dass Jimmy mich Mutter nennt, obwohl ich mir dabei manchmal etwas seltsam vorkomme. Das liegt aber nicht an mir, sagt Paul, denn der Junge ist seltsam. Kein Wunder, wurde er doch als kleines Kind von seiner Mutter schändlich im Stich gelassen.« Sie beugte sich vor und senkte ihre Stimme zu einem Flüstern, als könne jemand ihr Gespräch verfolgen. »Sie müssen wissen, Pauls frühere Frau ist einfach abgehauen und hat das Kind ohne Essen und Trinken in einem Mietshaus zurückgelassen. Wenn Paul ihn damals nicht zufällig gefunden hätte, wäre der Junge qualvoll zugrunde gegangen.«
Susans Lächeln gefror. Einzig ihre Hände, die sich zu Fäusten ballten, verrieten ihre Erregung. Ihre Stimme klang jedoch völlig ruhig, als sie das Thema wechselte, um sich nicht zu verraten.
»Sie haben ein schönes Haus, Mrs. Hexton.«
Kate winkte verlegen ab, es war offensichtlich, dass sie sich über das Kompliment freute.
»Ja, mein Mann ist auch sehr stolz, es erworben zu haben, und dass wir gleich einziehen konnten. Möchten Sie nicht doch eine Tasse Tee?«
Susan nickte, obwohl sie keinen Durst verspürte. So würde sie aber ein paar Minuten allein gewinnen, um ihre Gedanken zu ordnen.
»Wenn es Ihnen keine Umstände macht …«
Kate versicherte, dies würde es nicht, und entschuldigte sich, um in die Küche zu gehen.
»Unser Mädchen hat heute frei, aber ich koche auch einen ganz hervorragenden Tee, meint Paul zumindest …« Sie kicherte verschämt und verließ das Zimmer.
Susan atmete tief durch. Ein Mädchen … und das Haus hier, und eingerichtet war es noch nicht vollständig …
Und all das von meinem Geld! Wütend runzelte sie die Stirn. Sie würde dieser naiven Frau und Paul schon klarmachen, dass es mit dem schönen Leben ab
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