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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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auf und lief im Zimmer auf und ab. »Ich habe meine Schwägerin nie kennengelernt, sie verließ die Familie, lange bevor ich Edwards Frau wurde. Ich bin jedoch der Meinung, dass wir uns nicht mit Kriminellen abgeben sollten – gleichgültig, ob diese zur Familie gehören oder nicht. Dass Sie, Susan, sich diesen Suffragetten angeschlossen haben, wundert mich nicht. Haben Sie wirklich geglaubt, es würde Ihnen gelingen, Mr. Asquith zu töten?«
    »Das war niemals unser Plan.« Entschieden schüttelte Susan den Kopf. »Wir zogen in friedlicher Absicht zur Downing Street und wollten vor dem Haus des Premierministers für die Freilassung einer unschuldig Verurteilten demonstrieren. Dann wurden wir von der Polizei grundlos angegriffen, und die Situation eskalierte. Rosalind hat damit nicht das Geringste zu tun, das müssen Sie mir glauben, Lady Lavinia.«
    Lavinia blieb vor Susan stehen.
    »Was soll ich Ihrer Meinung nach tun? Sie wissen, dass Edward seine Schwester verstoßen hat und ihr Name in diesem Haus nicht mehr genannt werden darf.«
    »Sie müssen mit ihm sprechen und alles erklären.« Eindringlich sah Susan Lavinia an. »Sie ist seine Schwester, ebenso die Tochter Ihrer Schwiegermutter. Keine Mutter der Welt lässt ihr Kind im Stich, wenn diesem eine langjährige Haftstrafe, wenn nicht sogar der Tod, droht. So hartherzig kann keine Mutter der Welt sein.«
    Du kennst Zenobia nicht, dachte Lavinia, und laut sagte sie: »Seit über zwanzig Jahren hat Edwards Mutter ihre Tochter nicht nur aus ihrem Leben, sondern auch aus ihrem Herzen verbannt, ebenso wie Edward leugnet, jemals eine Schwester gehabt zu haben. Ich glaube nicht, dass er …«
    »Sie müssen es versuchen!« Susan klammerte sich an Lavinias Arm, und diese ließ es geschehen. »Glauben Sie mir, es ist mir sehr schwergefallen, ausgerechnet Sie um Hilfe zu bitten, und Rosalind hat keine Ahnung, dass ich hier bin. Sie hätte das niemals gewollt und wird wahrscheinlich niemals wieder ein Wort mit mir sprechen, wenn sie erfährt, dass ich mich an ihre Familie gewandt habe. Rosalind ist nämlich sehr stolz, darin ist sie durch und durch eine Callington. Trotzdem müssen Sie ihr helfen. Ich bin schuld, dass Rosalind im Gefängnis sitzt, und ich könnte es mir nie verzeihen, wenn ihr etwas geschieht.«
    Lavinia zögerte, dann sagte sie leise: »Ich werde sehen, was ich tun kann. Jetzt gehen Sie, und kommen Sie niemals wieder hierher. Auch nicht nach Sumerhays. Das ist meine Bedingung, wenn ich versuche, mich für Rosalind einzusetzen. Ich möchte Sie niemals wiedersehen, solange ich lebe, nicht. Haben Sie das verstanden?«
    Susan hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet, zugleich war sie aber froh, dass Lavinia das Ansinnen, sich für Rosalind bei ihrem Mann einzusetzen, nicht völlig von sich wies. Sie nickte und wandte sich zur Tür.
    »Vor Jahren habe ich mich entschieden, Ihnen meine Tochter zu überlassen, Lady Lavinia. Einen größeren Fehler habe ich in meinem Leben niemals begangen, und für diesen Fehler werde ich bis an den Rest meines Lebens büßen müssen. Anabell ist Ihre Tochter, und dabei wird es bleiben. Ich werde Sie niemals wieder belästigen oder gar um Ihre Hilfe bitten.« An der Tür sah Susan über die Schulter zurück. »Übrigens – Rosalind ist in Islington im Frauengefängnis Holloway inhaftiert. Das sollten Sie vielleicht noch wissen.«
    Zitternd sank Lavinia auf einen Stuhl, nachdem Susan gegangen war. Sie wusste nicht, ob sie deren Worten Glauben schenken konnte. Obwohl Susan gegen sie nichts in der Hand hatte, was Anabell betraf, würde sich Lavinia sicherer fühlen, wenn Susan ein für alle Mal aus ihrem Leben verschwand. Wenn sie dies erreichen konnte, wenn sie versuchte, Edward zu überzeugen, seine Schwester aus dem Gefängnis zu holen, dann wollte sie es versuchen. Es kam aber noch etwas anderes hinzu – Lavinia war äußerst gespannt auf Rosalind, auf die Frau, die es gewagt hatte, sich Edward und Zenobia zu widersetzen und ihren eigenen Weg zu gehen.
     
    An diesem Abend ergab sich keine Möglichkeit, mit Edward über seine Schwester zu sprechen. Der Empfang beim Grafen von Faygate dauerte unendlich lange. Während sich die Männer nach dem Dinner in den Rauchsalon zurückzogen, blieben die Damen bei Kaffee und Tee unter sich, und das Gespräch drehte sich um den neuesten Klatsch über nicht anwesende Personen, die neuesten Modetrends aus Paris und die Hoffnung, der Sommer möge weiterhin warm und sonnig

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