Das Lied der Luege
Lachs in Weißweinschaumsoße und danach einem großen Stück Rinderfilet zusprach, stocherte Lavinia in ihren Speisen herum. Sie war viel zu nervös, um zu essen, Edward jedoch wartete, bis er den Karamellpudding, der als Nachspeise gereicht wurde, gegessen hatte, bevor er sich erhob.
»Wir nehmen den Portwein und den Kaffee im Salon«, wies er Monkton an, und Lavinia folgte ihrem Mann in den ersten Stock hinauf. Sie warteten, bis Monkton die Getränke serviert hatte und sie allein waren.
»Ich versprach, über meine Schwester nachzudenken«, sagte Edward und starrte in sein Glas, in dem der Portwein wie Blut schimmerte.
»Und?« Lavinia gelang es nicht, ihre Ungeduld zu verbergen.
»Bevor ich dir meine Entscheidung mitteile, beantworte mir folgende Frage: Wie hast du überhaupt Kenntnis davon erhalten, dass Rosalind nicht nur in London, sondern im Gefängnis ist?«
Da Lavinia diese Frage erwartet und sich bereits gewundert hatte, dass Edward sie nicht schon am Morgen gestellt hatte, sagte sie rasch: »Eine Frau, die ich vor Jahren zufällig traf, suchte mich auf und berichtete, sie hätte Rosalind kennengelernt. Offenbar hat deine Schwester ihr von ihrer Verbindung zu unserer Familie erzählt.«
»Eine von diesen widerlichen Suffragetten?«
Lavinia zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, wir sprachen nicht darüber. Sie war auch nur wenige Minuten bei mir und bat mich, mich um meine Schwägerin zu kümmern.«
Mit diesen Worten sagte Lavinia nicht einmal die Unwahrheit. Sie hoffte, Edward würde nicht nachhaken, wann und wie sie Susan kennengelernt hatte, aber dies schien ihn nicht zu interessieren.
»Ich hoffe bloß, du hältst dich von diesem Weibsvolk fern. Ich wünsche nicht, dass du auch nur im Geringsten mit den Aufständen in Verbindung gebracht wirst.«
»Selbstverständlich nicht!«, versicherte Lavinia im Brustton der Überzeugung. »Wirst du dich nun für Rosalind einsetzen? Das heißt, hast du überhaupt die Möglichkeit einer Einflussnahme?«
»Das wäre kein Problem.« Edward winkte gelangweilt ab. »Ein paar Worte zu den richtigen Leuten, die ich selbstverständlich kenne, und meine Schwester kann noch heute Abend wieder ein freier Mensch sein. Außerdem gibt es da jemanden bei den Liberalen, der mir noch einen Gefallen schuldig ist, obwohl wir nicht die gleiche Gesinnung haben.«
Er schwieg, und in Lavinia begannen sämtliche Nerven zu vibrieren.
»Wirst du Rosalind zu uns holen?«, fragte sie heiser.
Edward hob den Blick und sah sie an. Seine Augen glitten über ihren Körper, seine Miene konnte Lavinia jedoch nicht interpretieren. Unwillkürlich dachte sie: Wenn der Preis für Rosalinds Freilassung der ist, dass ich wieder Edwards Bett teile, dann lasse ich das eben über mich ergehen. Sie musste dabei nur die Augen schließen und an Sebastian denken, dann würde die Situation einigermaßen erträglich sein. Allein der Gedanke an den geliebten Mann machte Lavinia völlig ruhig, und sie sehnte den Moment herbei, in dem sie wieder in seinen Armen liegen konnte.
»Ich habe eine Bedingung.« Edwards Stimme war so eisig wie sein Blick.
»Was wünschst du?«, fragte Lavinia leise. Sie hatte sich also nicht getäuscht, Edward tat nie etwas, ohne eine Gegenleistung zu fordern.
»Du hast davon gesprochen, dass ich Rosalind eine zweite Chance geben soll. Diese zweite Chance biete ich auch dir, meine liebe Lavinia, obwohl du es ebenso wenig wie meine Schwester verdient hast.« Lavinia runzelte die Stirn, sie hatte keine Ahnung, worauf Edward hinauswollte. Sie sollte es gleich erfahren, denn Edward sah sie streng an. »Du beendest auf der Stelle diese unselige Affäre mit Eathorne. Nicht nur das, du wirst erst nach Sumerhays zurückkehren, wenn er die Grafschaft verlassen hat.«
Alles Blut wich aus Lavinias Kopf. Obwohl sie saß, schwankte der Boden unter ihren Füßen, und für einen Moment befürchtete sie, ohnmächtig zu werden. Sie war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen, daher murmelte sie lediglich: »Ich muss doch allein schon wegen Anabell nach Hause.«
»Dein Zuhause ist dort, wo dein Ehemann ist.« Obwohl Edward seine Stimme nicht erhob, fuhr diese scharf in Lavinias Herz. »Du wirst Anabell erst wiedersehen, wenn Eathorne Cornwall für immer verlassen hat.«
Lavinia fragte nicht, woher und seit wann er von ihrer Beziehung zu Sebastian wusste. Wie hatte sie auch nur einen Moment annehmen können, irgendetwas, was sie tat, würde Edward verborgen bleiben? Mit
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