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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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sehr verändert. Sie war schon immer eine Kämpfernatur gewesen und hatte nur selten eine weiche, weibliche Seite gezeigt. Seit Theodor Murphy Esperanza Montoya ihr vorgezogen hatte, schien Doro von einem eisernen Panzer umhüllt zu sein. Immer wieder wetterte sie gegen die Männer, warf alle in einen Topf und redete jeden Mann schlecht. Diesbezüglich entsprach Doro hundertprozentig den Vorstellungen über frustrierte Suffragetten, die die meisten Männer von den Frauenrechtlerinnen hatten. Susan wusste nicht, wie sie der Freundin helfen konnte, denn Doro wich jedem Gespräch aus, wenn Susan versuchte, in sie zu dringen. Sie war zu einer regelrechten Männerhasserin geworden, was ihre nächsten Worte bestätigten.
    »Lass dich scheiden, Susan, und pfeif auf den Typen, denn auch so siehst du deinen Sohn nie wieder. Sei froh, dass wir die Männer nicht brauchen. Allesamt sind sie Schweine, die uns Frauen nur zum Kochen und Waschen brauchen, und natürlich für die Befriedigung ihrer perversen Gelüste.«
    Susan schwieg dazu. In ihrem Leben hatte sie bisher zwar auch nur Pech mit Männern gehabt, es hatte aber auch schöne Momente gegeben. In ihren Beziehungen zu Charles Landsbury und zu Ronald McPhearson-Grant hatte es zwar nicht die große Liebe gegeben, dennoch hatte sie sich in der Gesellschaft dieser Männer wohl gefühlt. Und wenn sie an Daniel Draycotts Küsse dachte … Schnell wischte sich Susan wieder über die Stirn, um die Erinnerung an Daniel zu vertreiben. Vor einigen Wochen hatte sie ihm rund die Hälfte des geliehenen Geldes überwiesen und ihm dazu einen kurzen Brief geschrieben. Er hatte ihr jedoch nicht geantwortet. Boston war sehr weit von England entfernt – wahrscheinlich hatte er sie und ihre gemeinsamen Erlebnisse an Bord der
Titanic
längst vergessen.
     
    Die Tür öffnete sich, und Doro trat in den Druckraum. Sie wedelte mit der Hand, um die Rauchschwaden zu vertreiben.
    »Du meine Güte, ist das heiß hier! Du solltest mal eine Pause machen, Susan.«
    Susan schüttelte den Kopf und deutete auf den Stapel weißen Papiers, der neben der Druckerpresse lag.
    »Diese Seiten müssen heute noch fertig werden.«
    Rigoros schob Doro sie zur Seite.
    »Ich mach das für dich. Übrigens, Mr. Kenton wartet draußen.«
    »Mr. Kenton?« Susan runzelte fragend die Stirn, und Doro nickte eifrig.
    »Richard Kenton, der Reporter des Londoner Viewer. Ich habe dir schon von ihm erzählt. Die Zeitung unterstützt die Arbeit unserer Gruppe. Du solltest mit ihm sprechen, er ist an einem Interview mit dir sehr interessiert.«
    Susan wischte sich die Hände an der Schürze ab und schüttelte den Kopf.
    »Ich sagte bereits, dass ich mit der Vergangenheit abgeschlossen habe und meine Geschichte nicht auf den Titelseiten von irgendwelchen Klatschblättern sehen möchte.«
    Beschwörend sah Doro die Freundin an.
    »Der London Viewer ist eine seriöse Zeitung. Zwar klein und mit einer geringen Auflage, wir brauchen jedoch jede positive Unterstützung der Presse, die wir bekommen können. Bitte, Susan, hör dir wenigstens an, was der Mann zu sagen hat.«
    »Also gut, nur dir zuliebe.« Mit einem Seufzer band Susan die Schürze ab und wusch sich gründlich die Hände. Die Druckerschwärze hatte sich tief unter ihre Nägel und in ihre Haut eingegraben, aber Susan war Eitelkeit in der letzten Zeit fremd geworden.
    Richard Kenton war noch ein recht junger Mann, wohl einige Jahre jünger als Susan. Seine mangelnde Erfahrung im Journalismus machte er mit Eifer wett. Seit ein paar Tagen versuchte er, ein Gespräch mit Susan Hexton zu bekommen, und war beinahe täglich in den Büroräumen erschienen. Susan wusste, sie würde den Reporter wohl nicht so einfach loswerden.
    »Machen Sie es kurz, ich habe nicht viel Zeit«, sagte sie statt einer Begrüßung und verzichtete darauf, ihm die Hand zu geben.
    »Sie sind noch viel schöner, als ich Sie in Erinnerung hatte.« Erstaunt musterte Susan den Journalisten.
    »Ich wüsste nicht, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Ich kann mich nicht an Sie erinnern.«
    Er lächelte verlegen. »Wie sollten Sie auch. Sie standen damals auf der Bühne, und ich saß mit meiner Familie im Parkett. Mein Onkel war ein großer Bewunderer Ihrer Kunst, Miss Peggy Sue. Er ließ kaum eine Vorstellung aus, und einmal lud er mich ein, ihn zu begleiten.«
    »Mein Name ist Susan Hexton«, bemerkte Susan barsch. »Die Schauspielerin Peggy Sue existiert nicht mehr.«
    Richard Kenton schaute sie bedauernd

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