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Das Lied der Luege

Das Lied der Luege

Titel: Das Lied der Luege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Martin
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an.
    »Das ist sehr schade. London braucht Frauen wie Sie auf der Bühne.«
    »Meine Arbeit hier ist wichtiger als der Tingeltangel einer seidenen Scheinwelt.« Susan winkte ab und sah demonstrativ zu der Uhr, die über dem Türstock hing. »Sie sind wohl kaum gekommen, um mit mir über meine Arbeit am Theater zu plaudern, nicht wahr? Ich sagte bereits, dass meine Zeit begrenzt ist. Also, was wollen Sie?«
    Richard Kenton räusperte sich und bemühte sich um einen geschäftsmäßigen Gesichtsausdruck.
    »Mrs. Hexton, in den letzten Monaten sind Sie zu einer der führenden Frauen der Women’s Social and Political Union geworden. Seit Miss Sylvia die Gruppe verlassen hat, scheinen Sie mehr und mehr zur rechten Hand der verehrten Mrs. Emmeline Pankhurst zu werden. Unsere Zeitung ist sehr an Ihrer Arbeit interessiert.«
    Susan nickte zustimmend. Sie wusste, dass sie sich die Chance eines objektiven Artikels nicht entgehen lassen durfte, wenngleich das Blatt klein und in London recht unbedeutend war.
    »Fragen Sie«, forderte sie Kenton auf. Dieser sah sich nach einer Sitzmöglichkeit um und zückte Block und Bleistift. Auch Susan nahm Platz, denn die Unterredung würde wohl kaum nach ein paar Minuten beendet sein.
    »Nach dem Aufstand vor dem Haus des Premierministers verließ Miss Sylvia Pankhurst Ihre Gruppe. Können Sie mir sagen, was sie dazu veranlasst hat? Immerhin wurden alle Inhaftierten freigelassen und gegen niemanden Anklage erhoben.«
    »Es waren persönliche Gründe, die Miss Pankhurst veranlassten, das Land für einige Zeit zu verlassen«, antwortete Susan ausweichend. Es wäre Emmeline Pankhurst sicher nicht recht, in der Zeitung zu lesen, dass sie und ihre Tochter sich entzweit hatten. Nachdem Sylvia und die anderen aus der Haft entlassen worden waren und damit die Sache glimpflicher als erwartet verlaufen war, hatte Emmeline ihrer Tochter schwere Vorwürfe gemacht. Immerhin war es Sylvia gewesen, die die Fackel in das Haus des Premierministers geworfen hatte, Sylvia beharrte jedoch darauf, dass ihre Vorgehensweise richtig gewesen war. Da die Vereinigung geschlossen hinter Emmeline Pankhurst stand, verließ Sylvia wutentbrannt die Gruppe und reiste zu ihrer Schwester Christabel nach Amerika.
    In den folgenden Minuten berichtete Susan von ihrer derzeitigen Arbeit, bei der sie versuchten, durch Flugblätter möglichst viele Frauen zu erreichen und diese für die
WSPU
zu begeistern. Diese Blätter wurden in Fabriken, in denen vorrangig Frauen arbeiteten, verteilt, und bei der kommenden Parlamentseröffnung im Herbst wollten die Suffragetten wieder geschlossen nach Westminster ziehen.
    Als Susan dachte, alle Fragen Mr. Kentons ausreichend beantwortet zu haben, räusperte sich dieser und sah sie fragend an.
    »Mrs. Hexton, Sie könnten mehr erreichen, wenn Sie uns erlauben, Ihre Geschichte öffentlich zu machen.«
    »Auf keinen Fall!«
    »Bitte, denken Sie darüber nach. Noch vor einem Jahr waren Sie eine gefeierte Schauspielerin, dann haben Sie den Untergang der Titanic überlebt und sind zurückgekehrt, um sich für die Rechte der Frauen einzusetzen. Die Menschen da draußen« – er deutete auf das Fenster –, »nicht nur die Frauen, sondern auch viele Männer interessieren sich für solche Geschichten. Sie, Mrs. Hexton, sind nicht nur eine der namenlosen Suffragetten, sondern Sie sind eine Frau mit interessanter Hintergrundgeschichte, deren Namen zahlreiche Menschen noch kennen. Ein solcher Artikel erregt immer mehr Aufmerksamkeit als ein Bericht über eine unbekannte Frau.« Kenton sah sie aufmerksam an, dann sagte er leise: »Von meiner Zeitung bin ich bevollmächtigt worden, Ihnen fünfzig Pfund für ein exklusives Interview anzubieten.«
    Fünfzig Pfund! Susan riss die Augen auf, ihr Puls beschleunigte sich. Das war eine Menge Geld. Geld, das sie dringend brauchen konnte. Sie gab sich einen Ruck.
    »Also gut, Sie haben gewonnen. Ich bestehe jedoch darauf, einen Vorabdruck lesen zu dürfen, denn ich möchte auf keinen Fall, dass irgendwelche Unwahrheiten verbreitet werden.«
    »Das ist selbstverständlich.« Richard Kenton lächelte zufrieden. »Was halten Sie davon – ich lade Sie heute zum Abendessen ein? In einer entspannten Atmosphäre plaudert es sich gleich viel zwangloser, nicht wahr?«
    Susan wusste nicht, ob sie einen Fehler beging oder das Richtige tat, als sie zustimmte. Die
WSPU
konnte jede positive Berichterstattung gebrauchen. Wenn ihre frühere Popularität dazu beitragen

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