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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Maori-Blut passiert. Sie hielt die gedrungenen, dunklen Menschen zwar ziemlich mühelos auseinander – was nicht jedem Weißen auf Anhieb gelang –, doch Familienähnlichkeiten hatte sie bei den wenigen Eingeborenen, die sie bisher kannte, kaum feststellen können.
    Moment mal ... Familie? Diese scharf geschnittenen Gesichtszüge waren doch kein Maori-Erbe! Elaine schwante etwas. Sie musste mehr herausfinden.
    »Mein Hund mag ja ganz gut Schafe treiben«, sagte sie, »aber wirklich fantastisch ist dein Englisch, junger Mann ...«
    »Arama, Madame, Arama, zu Ihren Diensten.« Der junge Mann verbeugte sich höflich.
    Elaine lächelte.
    »Nur ›Miss Lainie‹, Arama. Unter einer Madame stelle ich mir immer eine Matrone im Lehnsessel vor. Aber nun sag mir, woher du so gut Englisch kannst. Bist du mit Pai verwandt?«
    Er sah Pai ähnlich. Und Pai sah Emere ähnlich. Emere und ...
    Arama lachte. »Nicht, dass ich wüsste. Wir sind beide Waisenkinder, aus der Missionsschule in Dunedin. Da hat man uns als Babys abgegeben. Sagte jedenfalls der Reverend.« Arama zwinkerte. Er musste um die zwanzig sein, also kein halbes Kind mehr wie Pai. Gewiss hatte er die Ähnlichkeiten ebenso bemerkt wie Elaine. Und womöglich gab es ja noch mehr Jungen und Mädchen auf dieser Farm, die »zur Familie gehörten«.
    Elaine war geschockt. Nicht so sehr, weil John Sideblossom es offensichtlich mit seiner Maori-Hausangestellten trieb oder getrieben hatte. Aber es musste vor den Augen seines Sohnes geschehen sein. Thomas musste mindestens zwei Schwangerschaften Emeres verfolgt haben ... Und war sie nicht sein Kindermädchen gewesen? Und wie konnte John die Frau dazu zwingen, die Kinder vor einem Waisenhaus auszusetzen?
    Elaine war blass geworden. »Gibt es noch mehr?«, fragte sie heiser.
    Aramas Gesicht nahm einen forschenden Ausdruck an.
    »Schafe?«, fragte er vorsichtig. »Für die Hündin? Jede Menge. Wenn Sie wollen, kommen Sie mit und ...«
    Elaine antwortete nicht, sondern ließ ihren Blick ernst und abwartend auf ihm ruhen.
    »Mr. Sideblossom hat fünf Mischlingskinder aus der Missionsschule in Dunedin geholt«, sagte Arama schließlich. »Zwei Mädchen als Hausangestellte und drei Jungen, die im Farmbetrieb angelernt werden. Ich bin bereits vier Jahre hier, und er vertraut mir. Ich leite die Farm, solange er mit den anderen auf dem Viehtrieb ist. Und ...«
    »Weiß das Mr. Thomas?«, fragte Elaine tonlos.
    Arama zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht, und ich frage nicht. Sie sollten das auch nicht tun, Mr. Sideblossom ist nicht sehr geduldig. Ebenso wenig wie Mr. Thomas. Wollen Sie uns jetzt mit ein paar weiteren Schafen helfen? Wir reparieren die Pferche, und es ist einiges umzutreiben.«
    Elaine nickte. Über das, was sie eben erfahren hatte, konnte sie später nachdenken. Auch darüber, was Zoé vielleicht wusste, und die Neuigkeit, die Zoé ihr an diesem Morgen stolz anvertraut hatte: Zoé Sideblossom war schwanger. Thomas würde einen Halbbruder oder eine Halbschwester bekom men. Nun, zumindest war ihrem Mann das wohl nichts Neues ...
    Elaine verdrängte also zunächst John Sideblossoms eigenwillige Art der Vermehrung des Hauspersonals und folgte Arama und Pai zu den weiteren Pferchen. Viel Arbeit gab es nicht für eine Hütehündin vom Schlage Callies. Die meisten Schafe waren im Hochland; hier blieben nur ein paar kranke Tiere, einige sehr spät gedeckte Mutterschafe, deren Ablammen noch abgewartet werden musste, sowie einige Dutzend Verkaufstiere. Letztere machten Callie den meisten Spaß, denn hier waren die Herden größer, und die Hündin fühlte sich gefordert. Auch Elaine war zum ersten Mal fast so etwas wie glücklich, als sie am Abend zurück ins Haus ging.
    »Du riechst nach Schaf!«, beschwerte sich Zoé, als sie beim Eintreten aufeinandertrafen. »Das vertrage ich in meinem Zustand nicht besonders.«
    Den Satz hatte Elaine schon beim Frühstück zweimal gehört. Einmal vertrug Zoé keinen Kaffeeduft, dann wurde ihr beim Anblick von Rührei übel. Wenn das so weiterging, lagen anstrengende Monate vor Elaine und den weiblichen Hausangestellten.
    »Ich wasche mich ja gleich«, beschied sie Zoé. »Und das Kind sollte sich rechtzeitig an den Geruch von Schafen gewöhnen. Mr. John wird es kaum zum Rosengärtner erziehen.«
    Damit rauschte Elaine in ihre eigenen Gemächer. Sie war ziemlich mit sich zufrieden. Allmählich gewann sie ihre alte Schlagfertigkeit wieder. Allerdings war sie früher nicht so schneidend und

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