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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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bösartig gewesen. Vielleicht sollte ich mehr Geduld mit Zoé haben, dachte Elaine, vor allem, wenn sie ähnliche Schlüsse gezogen hat wie Arama und ich. Es musste an Zoés Nerven zerren, so eng mit Emere zusammenzuleben. Im Gegensatz zu Elaine hatte Zoé keine so einfache Rückzugsmöglichkeit wie den abgeschlossenen Westflügel: Die Gemeinschaftsräume gehörten zu ihrem und Johns Wohnbereich, die Küche war angrenzend. Und über all dem herrschte Emere. Eiskalt, mit undurchdringlichem Blick. Wahrscheinlich machte Zoé die Hölle durch!
     
    Elaine ging auch am nächsten Tag gleich morgens in den Stall. Arama und die wenigen Männer, die mit ihm dageblieben waren, hatten auch Arbeit für Callie. Als sie gegen Mittag fertig waren, beschloss Elaine, am Nachmittag tatsächlich einen Ausritt zu wagen. Arama erbot sich, ihr den kleinen Rappen zu satteln, mit dem sie am Vortag geschäkert hatte.
    »Er heißt Khan«, sagte Arama. »Und er ist erst drei Jahre alt, gerade mal ein paar Monate unter dem Sattel. Sie können doch reiten, oder?«
    Elaine nickte und erzählte von Banshee. »Mein Vater lässt sie herschicken, sobald das Fohlen abgesetzt ist. Ich freue mich schon darauf, ich vermisse sie sehr.«
    Arama blickte skeptisch, was Elaine wunderte. Misstraute er ihren Reitkünsten? Oder störte ihn der Gedanke an eine Schimmelstute in diesem düsteren Stall? Was das anging, gedachte Elaine sowieso nicht, ihr Pferd einzusperren. Banshee war Weidegang gewohnt.
    Bedenken gegenüber ihrer Reiterei löschte sie dann jedenfalls schnell aus. Sie kletterte behände und ohne Hilfe auf Khans Rücken und lachte, als Arama bedauernd erklärte, ihr keinen Damensattel zur Verfügung stellen zu können.
    »Miss Zoé reitet nicht.«
    Warum klang das bloß so bedeutsam?
    Egal, Elaine würde jetzt nichts in Aramas Äußerungen hineininterpretieren, sondern ihre neue Umgebung erforschen. Khan zu reiten erwies sich auch bald als reines Vergnügen. Der Hengst war munter, aber leichtrittig, und Elaine, die nicht an Araber gewöhnt war, genoss dieses Gefühl der Leichtigkeit. Wenn die Cobs ihrer Großmutter galoppierten, schien die Erde unter ihren kräftigen Hufen zu erbeben, Khan dagegen schien den Boden kaum zu berühren.
    »Könnte ich mich direkt dran gewöhnen!«, bemerkte Elaine und klopfte dem Rappen den Hals. »Morgen machen wir das wieder!«
    Bei diesem ersten Ausritt hatte sie sich auf das unmittelbare Gebiet der Farm beschränkt und die Hausweiden und Scherschuppen inspiziert. Lionel Station hatte zwei, beide von imponierender Größe. Eine Rinderzucht wie auf Kiward Station gab es nicht, dafür war das Gebiet zu gebirgig. Rinder rentierten sich nur auf wirklich weiten Grasflächen wie den Canterbury Plains. Man konnte sie nicht einfach den Sommer über ins Hochland treiben wie Schafe.
     
    Am nächsten Morgen brach Elaine schon früh auf und packte sich ein Mittagessen ein. Sie wollte am Fluss entlang in Richtung Bergland reiten und zumindest die Ausläufer der McKenzie Highlands erkunden. Familiengeschichte sozusagen. Sie kicherte, wenn sie an ihren Großvater dachte und den halsbrecherischen Ritt, mit dem ihre Mutter sich damals vor seinen Häschern in Sicherheit gebracht hatte. Fleurette hatte ihren Vater auf ihrer Flucht vor Sideblossom aufgespürt – und beinahe wären beide in die gleiche Falle gegangen.
    Elaine genoss ihren Ausflug von ganzem Herzen. Das Wetter war großartig, trocken, sonnig und leicht windig, zum Reiten ideal. Khan schritt eifrig aus, war aber ausgeglichener als am Tag zuvor und wollte nicht mehr jede Gelegenheit nutzen, um anzugaloppieren. Elaine konnte sich also auf die Landschaft konzentrieren und freute sich am Hochgebirgspanorama rechts und links des Haast Rivers, dem sie nach Nordwesten folgte. Callie lief fröhlich neben ihr her und verließ sie nur ab und zu, um eifrig einem Hasen nachzuhetzen – was sie eigentlich nicht tun sollte, denn bei Hütehunden war Jagdtrieb verpönt. Aber das Kaninchenproblem in Neuseeland war seit einigen Jahren derart angewachsen, dass selbst Puristen wie Gwyneira McKenzie darauf verzichteten, ihre Hunde für eine kleine Hetzjagd zu rügen. Mit irgendeinem Schiff waren Kaninchen eingeschleppt worden und hatten sich hier mangels natürlicher Feinde explosionsartig vermehrt. In manchen Gegenden Otagos machten sie den Nutztieren sogar schon das Gras streitig. Ganze Ebenen, auf denen sonst Schafe weideten, wurden von Langohren kahl gefressen. Die verzweifelten Siedler

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