Das Lied der Maori
will’s gar nicht wissen. Im Januar jedenfalls wird geheiratet! Na, ist das eine Überraschung?«
Elaine vergaß ihre Sorgen und umarmte die Freundin.
»Ich dachte, du wolltest gar nicht heiraten«, neckte sie das Mädchen.
Charlene ordnete ihr dunkles Haar und wand es schon mal probeweise zu einem strengen Knoten, wie Berta Leroy ihn trug.
»Ich wollte nicht um jeden Preis ehrbar werden. Aber Matt ist Steiger. Er wird sich irgendwann mit Tim die Leitung der Mine teilen, das haben die zwei schon abgesprochen. Also erwartet mich kein armseliges Leben in einer Kate mit zehn Kindern am Rockzipfel, sondern ein richtiger Aufstieg. Wart’s ab, Lainie, in ein paar Jahren stehen wir zwei den Wohltätigkeitsbasaren in der Kirche vor! Außerdem liebe ich Matt – und das hat ja schon andere Leute dazu gebracht, ihre Meinung zu ändern, stimmt’s, Lainie?«
Elaine lachte und wurde rot.
»Bis jetzt kann die alte Lambert sich aber noch nicht mit meinem Anblick anfreunden«, führte Charlene aus und musterte Elaines Kollektion an Kleidern. »Deshalb ist jetzt auch Matt in Acht und Bann und darf nicht mitfeiern. Tut ihm richtig leid ...« Sie grinste. »Hier, das ziehst du an!« Sie hielt das hellblaue Sommerkleid hoch, das Madame Clarisse bei Lainies Einzug für sie hatte schneidern lassen. »Und dazu meinen neuen Schmuck. Hier, schau mal, Matts Verlobungsgeschenk!« Charlene hielt ihr stolz ein Schmuckkästchen hin, das ein fein ziseliertes Silberhalsband mit Lapislazuli-Steinen enthielt. »Du wärst zwar für mich mehr der Aquamarin-Typ, aber schrecklich züchtig wirkt das allemal. Auch wenn der Ausschnitt vielleicht ein bisschen zu tief ist. Aber es ist Sommer, was soll’s!«
Elaine klopfte das Herz bis zum Hals, und sie senkte die Augen vor Scham, als sie Mr. und Mrs. Lambert am 25. Dezember die Hand reichte und Frohe Weihnachten wünschte. Entsprechend kühl und reserviert fiel auch ihr Kuss für Tim aus, der unglücklich in seinem Rollstuhl saß. Er schwitzte jetzt schon in seinem dreiteiligen Anzug, den die Etikette offenbar trotz hochsommerlicher Temperaturen für diesen Anlass vorschrieb. Obendrein bestand seine Mutter darauf, seine Beine mit einem karierten Plaid zu verdecken – als wären sie irgendetwas Anstößiges, das den Augen der Besucher entzogen werden musste.
Elaine hätte Tim gern getröstet und ihm mit irgendeiner vertraulichen Geste bewiesen, dass er nicht allein war. Aber sie war wieder einmal wie erstarrt – erst recht, als sie dann auch noch den anderen Gästen gegenübertrat. Marvin und Nellie Lambert hatten die Webers eingeladen, außerdem die Billers, da die beiden Familien nun einmal befreundet waren und es sich deshalb kaum vermeiden ließ. Letzteres behagte offensichtlich weder Marvin Lambert noch Josuah Biller. Beide hatten sich daher schon ein wenig Mut angetrunken, und ihre Frauen würden den ganzen Tag damit verbringen, sie vorsichtig aneinander vorbeizulavieren, damit es nicht wegen einer Nichtigkeit zum Streit kam.
Die Webers dagegen wirkten beherrscht und distinguiert. Allerdings schauten Frau und Tochter gleichermaßen irritiert auf Lainies etwas unpassendes Kleid. Schließlich tuschelten sie mit Mrs. Biller, was weitere ungnädige Blicke zur Folge hatte. Elaines Aufzug war allerdings in dem Moment vergessen, in dem Caleb Biller für einen echten Eklat sorgte. Mrs. Lambert hatte ihm Florence Weber als Tischdame zugedacht, doch er erschien mit seiner angeblichen »Verlobten« Kura-maro-tini Martyn.
Elaine verschluckte sich beinahe an dem Champagner, den das Hausmädchen ihr eben serviert hatte.
»Halt bloß den Mund!«, zischte Kura, als man sie ihr förmlich vorstellte und die beiden Cousinen einen wenig innigen Händedruck tauschten. »Wenn du darauf bestehst, kann ich dir das alles irgendwann erklären, aber heute musst du mitspielen. Ich sitze sowieso schon auf einem Pulverfass!«
Lainie erfasste auch gleich, wer die Lunte hielt. Die Eiseskälte zwischen Kura und Florence Weber war nicht zu übersehen – wobei Florence ihre Abneigung auch gleich auf Elaine ausdehnte. Da beide Mädchen Barpianistinnen waren, ging sie automatisch von einer Freundschaft zwischen ihnen aus, und Kuras Freundin war ihre natürliche Feindin. Dabei kamen die Angriffe für Lainie völlig unerwartet. Sie war nahe daran, sich wieder hinter ihrem Haar zu verstecken, zu erröten und in ihre alte Starre zu fallen, aber dann schaute sie in Kuras verärgertes Gesicht und erinnerte sich an andere
Weitere Kostenlose Bücher