Das Lied der Maori
ein.
»Lainie, er wird gar nichts. Schlimmstenfalls kann er dieses Fest platzen lassen. Aber wenn er den Eklat wollte, hätte er es anders angefangen. Wahrscheinlich geht er erst morgen zum Angriff über, oder er nimmt sich gleich noch meinen Vater vor ...«
»Er wird sich den Constabler vornehmen, und dann sperren sie mich ein«, flüsterte Elaine. Und dann merkte sie plötzlich, dass es ihr gar keine Angst machte. Sie fürchtete nicht die Nacht in der Zelle, im Gegenteil. Da würde sie sich sicher fühlen.
»Schau, Lainie, der Constabler ist unter den Gästen, wir haben ihn doch vorhin noch begrüßt. Ebenso der Friedensrichter. Wenn du willst, trommele ich die jetzt beide zusammen. Dann verziehen wir uns unauffällig in meine Räume, und du machst dein Geständnis ...«
»Jetzt?«, fragte Elaine. »Gleich?« Sie schwankte zwischen Hoffnung und Angst.
»Damit kämen wir Sideblossom auf jeden Fall zuvor. Und morgen früh geht dieser Antrag auf Scheidung heraus, dann kann dir gar nichts mehr passieren ... Nun sei doch mal ruhig, Callie!«
Tim wandte sich ungeduldig an die Hündin, die plötzlich wild losbellte. Elaine löste sich von Tim, als sie Callies Kläffen hörte. Und wieder hatte sie diesen Ausdruck der Hoffnungslosigkeit im Gesicht, als sie über Tims Schulter hinweg auf einen der hinteren Wege zum Haus starrte.
»Wenn mein Sohn aber gar keine Scheidung wünscht, Mr. Lambert?«
John Sideblossom trat aus dem Schatten. Er musste einen der Nebeneingänge benutzt haben. Er trug einen langen dunklen Mantel über der Abendkleidung. Also wollte er gehen. Tim atmete auf. Callie kläffte.
»Wenn er stattdessen eine Familienzusammenführung erhofft? Tatsächlich ist es sein größter Wunsch, Lainie seit diesem verhängnisvollen Unfall ...«
Elaine brachte kein Wort heraus. Sie wich entsetzt zurück, als Sideblossom sich ihr näherte.
»Aber Elaine wünscht die Scheidung, Mr. Sideblossom«, sagte Tim ruhig. »Bitte seien Sie vernünftig. Lainie bedauert sehr, was sie getan hat, aber Ihr Sohn hat ihr unzweifelhaft einen Grund dafür gegeben. Bitte lassen Sie uns jetzt in Ruhe ...«
»Sie hat keiner gefragt!«, fuhr Sideblossom ihn an und wandte sich dann wieder mit seiner heiseren, beschwörenden Stimme an Lainie.
»Du hast etwas an ihm gutzumachen, Elaine. Aber von jetzt an wirst du ihm eine gehorsame Frau sein. Thomas war immer ein bisschen ... hm ... weich. Nun werde ich mit auf dich Acht geben ...« Er griff nach Elaine, doch sie wich aus. Callie sprang zwischen die beiden und bellte hysterisch.
Tim schob sich vor Elaine. »So nicht, Mr. Sideblossom!«, sagte er mit entschlossener Stimme. »Verschwinden Sie!«
Sideblossom grinste. »Oder was? Wollen Sie mich daran hindern, unser Eigentum wieder an mich zu nehmen?«
Er schlug unvermittelt zu. Seine Faust traf Tims Kinn mit voller Wucht und schleuderte ihn zur Seite. Tim, der in keiner Weise darauf vorbereitet war, fiel schwer zu Boden. Als seine verletzte Hüfte aufschlug, konnte er einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken. Sideblossom trat nach Callie, die noch immer kläffte.
»Tim!« Elaine vergaß alle Angst. Sie kniete neben Tim nieder – eine Situation, die Sideblossom sofort nutzte. Mehr noch, er schien sie einkalkuliert zu haben. Blitzschnell zerrte er Elaines Hände nach hinten und fesselte sie. Dann klemmte er ihr einen Knebel zwischen die Zähne – sie konnte nicht mal mehr schreien.
Tim wand sich am Boden, versuchte verzweifelt, irgendwo Halt zu finden, und musste doch hilflos zusehen, wie Sideblossom Elaine auf die Beine zerrte, hochriss und auf den Wagen warf.
»Vergiss sie einfach«, meinte Sideblossom höhnisch, während er die Pferde losband.
Tim versuchte, sich ihm in den Weg zu rollen und die Pferde zu stoppen, auch wenn Sideblossom sicher keine Skrupel hätte, sie über ihn hinwegzutreiben. Sideblossom versetzte ihm einen Tritt in die Rippen.
»Du willst dich doch nicht wirklich prügeln?« Er lachte und schien zu überlegen, ob er noch einmal nachsetzen sollte. Dann aber ließ er Tim liegen. Er würde keinen Krüppel schlagen. Jedenfalls nicht öfter als nötig.
Der Wagen war ein leichter Lieferwagen. Eine kleine Ladefläche, davor der erhöhte Bock. Elaine lag hinten und rührte sich nicht. Sideblossom vermutete, dass er sie verletzt hatte, als er sie auf den Wagen geworfen hatte. Nun, darum konnte er sich später kümmern. Hauptsache, sie war vorerst still. In aller Ruhe wendete Sideblossom sein Gespann. Wozu Aufsehen
Weitere Kostenlose Bücher