Das Lied der Maori
anscheinend verboten war. Nur der aufgeregte kleine Liftboy konnte erste Auskünfte geben.
»Da hat irgendwer randaliert, dieser komische Kerl aus Suite drei, glaub ich. Der hat mir immer Angst gemacht! Madeleine sagt, alles ist voller Blut, und die Frau sieht fürchterlich aus ...«
Roly hätte sich von alledem sichtlich gern selbst überzeugt, doch Tim drängte zur Eile. »Das klingt verdammt nach diesem Sideblossom. O Gott, und was sagte Lainie da vorhin von dessen Zimmer? Der Geschäftsführer hätte es dreimal vermieten können, weil es direkt über dem Saal läge! Und selbst in unserem Zimmer hat man jeden Ton gehört ... Der Kerl muss rasend geworden sein, als Kura die
pecorino
gespielt hat!«
Kura und Elaine verbeugten sich noch strahlend vor ihrem Publikum. William stand am Rand der ersten Reihe und applaudierte, doch hinten im Saal kam bereits Unruhe auf. Der Geschäftsführer sprach mit Heather. Dr. Mattershine war aus dem Saal gerufen worden.
Tim und Roly nahmen Elaine in Empfang, als sie von der Bühne kam.
»Du bist doch gekommen!« Sie lächelte Tim strahlend an. »War das nicht wundervoll? Ich könnte mich fast daran gewöhnen! Auf jeden Fall weiß ich jetzt, was Kura daran findet. All die vielen Menschen ...«
Elaine umarmte ihn, aber dann merkte sie an seinem ernsten Blick, dass etwas nicht stimmte.
Heather Redcliff sprach aufgeregt mit William, der daraufhin versuchte, irgendetwas mit dem Geschäftsführer zu klären.
Julian Redcliff gesellte sich zu Tim und Lainie.
»Sie versuchen, andere Räume für den Empfang nach dem Konzert zu finden. Im Foyer kann er nicht stattfinden, da ist die Hölle los. Dieser Kerl von gestern, dieser Thomas Sideblossom, hat eben versucht, diese junge Frau und sich selbst umzubringen.«
»Er ist plötzlich durchgedreht«, berichtete Heather atemlos, »und ging auf die Frau los. Seine Schwiegermutter, nicht wahr? Seltsame Verhältnisse. Aber sie konnte flüchten, ist dabei die Treppe heruntergefallen ... und dann hat er versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden. Der Geschäftsführer ist außer sich. In dem Zimmer sieht es wohl aus wie auf dem Schlachthof ...«
»Ist er tot?«, fragte Elaine tonlos.
»Nein, beide leben«, antwortete Redcliff. »Aber so plötzlich ist er wohl nicht durchgedreht. Erst als ...«
»Sein Zimmer lag genau über dem Saal«, sagte Lainie leise. »Er hat die Geisterstimme gehört ...«
Elaine wollte auf keinen Fall ein weiteres Konzert geben, sondern so schnell wie möglich nach Hause – nach Queenstown. Tim konnte sie nur mühsam davon überzeugen, dass sie dringend nach Greymouth zurückmüsse, um keine Verhaftung zu riskieren. Aber auch ihn zog es dringend weg von Blenheim, von den Sideblossoms, von allen möglichen Geistern. William und Kura hingegen wollten vorerst bleiben. In Blenheim würde es einfacher sein, einen neuen Pianisten zu finden als an der Westküste; in der Zwischenzeit wollte Kura ein paar kleinere Konzerte geben.
»Im Moment ist es egal, ob sie Klavier spielt, singt, tanzt oder Seehunde dressiert, die Leute wollen Kura!«, fasste William es glücklich zusammen. »Ich hab’s ja gesagt, das Konzert wird ein Erfolg. Und das wäre es auch ohne diese ... nun ja, Begegnung geworden. Aber so ist es sensationell!« Er sah aus, als wollte er Lainie nachträglich dafür küssen, dass sie damals Thomas Sideblossom erst geheiratet und dann niedergeschossen hatte.
Tim plante seinen Aufbruch für den nächsten Morgen, aber der verzögerte sich, weil Julian Redcliff erschien, ein gewaltiges Frühstück auf Tims Zimmer bringen ließ und bei Tee und Toast die letzten Neuigkeiten berichtete.
»Ich dachte, Sie wüssten gern, wie es gestern ausgegangen ist«, meinte er und breitete sich gelassen aus, während der übernächtigt wirkende Tim noch im Bett lag und Lainie blass aus dem Bad kam. Ihr war jetzt fast jeden Morgen übel, doch Kura versicherte ihr, das sei völlig normal. »Ich kann dir aber verraten, wie man dem vorbeugt!«, erklärte sie vergnügt. Elaine winkte müde ab. Von Tage zählen und Essigspülungen wollte sie nie wieder etwas hören.
Redcliff schob den Tisch mit dem Frühstück an Tims Bett und bediente ihn ganz selbstverständlich, dann begann er zu erzählen.
»Die Sideblossoms sind beide noch im Krankenhaus, aber im Grunde war es halb so schlimm. Die junge Frau hat Prellungen und ein blaues Auge. Und einen Schock natürlich. Aber heute Morgen ist sie ansprechbar, sagt Dr. Mattershine. Und den
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