Das Lied der Maori
unsinnige Selbstanzeige zurückzunehmen, mit der Sie mich neulich konfrontiert haben. Ich nehme Ihnen das nicht übel, Sie waren nach dieser Entführung in einem geistigen Ausnahmezustand, und der Doktor hat mir versichert, dass Sie auch sonst ... aber das sollten Sie Ihrem Vater vielleicht selbst erzählen. Jedenfalls werden wir wegen der Falschaussage keine weiteren Schritte gegen Sie unternehmen ...«
Elaine wurde abwechselnd rot und blass. »Falschaussage? Aber wieso ...«
»Sie haben selbstverständlich nie auf Ihren Ehemann Thomas Sideblossom geschossen«, bemerkte Jeff Allbridge. »Natürlich gab es entsprechende Gerüchte, aber mein ... äh ... Vorgänger ist der Sache nachgegangen, und sowohl Mr. John Sideblossom als auch Mr. Thomas, als er schließlich vernehmungsfähig war, haben ausgesagt, dass es ein Unfall gewesen ist. Mr. Sideblossom hat seine Waffe gereinigt. Tja, so was kommt vor.«
»Ich ...«
»Es ist nie eine Anzeige erfolgt, Elaine!«, sagte Ruben O’Keefe. »Wir wussten das auch nicht, sonst hätten wir intensiver nach dir gesucht. Aber Sideblossom hat wohl von Anfang an beabsichtigt, die Angelegenheit sozusagen privat zu klären.«
»Aber es hat doch jeder gewusst ... William, Kura ...«
»Wo hast du denn William Martyn getroffen?«, fragte Ruben verblüfft. »Und Kura-maro-tini? Aber egal, darüber reden wir später. Jedenfalls, es hat natürlich jeder gewusst, einschließlich des Constablers. Hören Sie jetzt bitte einmal weg, Jefferson! Solche Dinge lassen sich in einem Haus voller Diener nicht geheim halten, erst recht nicht, wenn zwanzig Schafscherer so etwas wie Zeugen sind. Einer von denen hat Thomas gefunden – und eine Hebamme war auch dabei. Der Frau verdankt er wohl sein Überleben; sie hat sehr couragiert gehandelt. Aber natürlich konnte jeder sich einen Reim darauf machen, was geschehen war. Der Constabler hätte die Sideblossoms auch festnageln können, aber da gab es wohl Beziehungen und Abhängigkeiten.«
»Er ist letzten Sommer abgewählt worden«, bemerkte Allbridge. Es klang beinahe entschuldigend.
»Im Nachhinein ist es ja auch eine glückliche Fügung«, bemerkte Ruben.
»Jetzt habe ich die Sache jedenfalls ernsthaft untersucht«, fuhr Allbridge gewichtig fort. »Vor allem diese Geschichte mit der Entführung. Wie es aussieht, hat John Sideblossom die Schießerei zwar nicht angezeigt, aber er selbst hat sehr intensiv nach Ihnen fahnden lassen, Misses ... Miss ...«
»Einfach nur Lainie«, flüsterte Elaine.
»Nach dem, was ich an Aufzeichnungen gefunden habe, hatte er Informanten in praktisch jeder größeren Stadt auf der Südinsel ... der Kerl aus Westport hat dann wohl den entscheidenden Hinweis gegeben. Aber sein Mann hier in Greymouth, Miss Lainie, hat Sie gedeckt.«
»Er hat mich ... aber warum?« Um Lainie drehte sich wieder alles. Tim nahm ihre Hand.
»Es handelt sich um einen Bergbauarbeiter, unten in der Blackburn-Mine«, meinte der Constabler. »Der Mann ist Maori.«
»Und ein Sohn von dieser Emere, der Haushälterin von Sideblossom«, fügte Allbridge hinzu. »Deshalb hielt Sideblossom ihn wohl für loyal. Allerdings hatte er auch Beziehungen zu einem Mädchen, das Ihnen wohl als Zofe diente, Miss Elaine.«
Pai? Oder Rahera? Aber Pai war doch in Pita verliebt gewesen. Elaine hatte Schwierigkeiten, das alles zu ordnen.
»Und das Mädchen wiederum gehörte einem Stamm an, mit dem Mr. Sideblossom seine Schwierigkeiten hatte, um es vorsichtig auszudrücken ...«
»Rahera!«, rief Elaine. »Mr. John hatte ihren Stamm beim Viehdiebstahl erwischt und Rahera daraufhin wie eine Sklavin gehalten. Sie hatte schreckliche Angst vor der Polizei. Dabei habe ich ihr immer gesagt, es sei besser, sich zu stellen ...«
»Auf den Rat hätten Sie auch mal selbst hören können«, brummte der Constabler.
Allbridge blickte ihn strafend an, brannte er doch darauf, seine Rede zu beenden. »Jedenfalls stand der junge Mann in seinen Loyalitäten zwischen seiner Verwandtschaft und seiner Liebsten, und als Sie auf der Flucht dann auch noch auf seinen eigenen Stamm stießen, Miss Lainie, der Sie wohl sehr freundlich aufnahm, war die Sache entschieden.«
»Deshalb meinte die Häuptlingsfrau, in Greymouth wäre ich sicher«, murmelte Elaine.
Der Constabler nickte. »Womit das brennendste Geheimnis geklärt wäre. Ich habe Stunden darüber gegrübelt, was ausgerechnet meine Stadt zu einem idealen Asyl für mehr oder weniger gefallene Mädchen macht!«
»Ihre
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