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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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natürlich mit von der Partie. »Ich würde eingreifen, Miss Helen. Kura ist hinter Lainies Kerl her.«
    »Daphne! Was sind das für Ausdrücke!«, empörte sich Helen.
    Daphne verdrehte die Augen. »Entschuldigen Sie, Miss Helen. Aber ich glaube ... also, nach meinem Dafürhalten zeigt Miss Warden ein ungebührliches Interesse an Miss O’Keefes Verehrer.«
    Gwyn schmunzelte. Daphne wusste ihre Ausdrucksweise dem Anlass anzupassen. Ihr selbst war Kuras Interesse an William natürlich auch nicht gänzlich entgangen – wobei sie nicht recht wusste, wie sie die Sache werten sollte. Natürlich war es Elaine gegenüber unfair, aber andererseits: William Martyn war ihr als Verehrer ihrer Enkelin zehnmal lieber als der Maori-Junge Tiare.
    »Aber bislang verhält Mr. Martyn sich den Mädchen gegenüber doch völlig korrekt«, bemerkte Helen. »Ich habe jedenfalls noch nicht bemerkt, dass er eine der anderen vorzieht.«
    »Das ist es ja gerade«, sagte Daphne. »Er sollte Elaine vorziehen. Der hat er anfangs schließlich Hoffnungen gemacht. Und jetzt kriegt sie bestenfalls genauso viel Aufmerksamkeit wie Kura. Das muss sie tief treffen!«
    »Ach, Daphne, sie sind doch noch Kinder«, raffte Gwyn sich zu einer halbherzigen Äußerung auf. »Bisher kann er um keine von ihnen ernsthaft werben.«
    Daphne zog die Augenbrauen hoch. »Kinder!«, schnaubte sie. »Machen Sie sich bloß nichts vor. Passen Sie lieber auf! Miss Helen auf Elaines zarte Seele und Miss Gwyn auf Ihre Erbin. Denn selbst wenn Sie davon überzeugt sein sollten, dass Kuras Charme diesen Martyn noch nicht um den Schlaf bringt ... er kann im Bett auch anderes tun. Schäfchen zählen zum Beispiel, Miss Gwyn. Sehr viele Schäfchen.«
     
    Kura Warden wusste selbst nicht, was mit ihr los war. Warum sie zu diesen Kirchenpicknicks ging und sich von zahllosen Hinterweltlern anschmachten ließ. Warum sie drittklassigen Musikern lauschte und dabei so tat, als gefiele ihr deren dilettantisches Gefiedel. Warum sie ihre Zeit mit Bootsfahrten und Picknicks verschwendete und dabei Plattitüden über die wunderschöne Landschaft rund um den Wakatipu-See von sich gab. Das alles war anstrengend und sinnlos, gewann aber dennoch an Reiz, weil sie dabei mit William zusammen war. Bisher hatte sie nie etwas Vergleichbares erlebt; Menschen waren ihr stets ziemlich gleichgültig gewesen. Ein Publikum, ein Spiegel, um ihre Wirkung zu kontrollieren, aber niemals mehr. Und nun war da dieser William mit seinem frechen Lächeln, den Grübchen, den blitzenden Augen und dem unfassbar strohblonden Haar. Kura hatte noch nie so goldblonde Menschen gesehen, allenfalls Schweden oder Norweger in Christchurch. Die waren aber meist auch blass und hellhäutig gewesen, während William gebräunte Haut hatte, die einen perfekten Kontrast zu seinem vollen blonden Schopf bildete. Und dann diese wachen blauen Augen, die ihr folgten, wohin sie auch ging. Die Komplimente, die er ihr machte, ohne dabei im Entferntesten anzüglich zu werden. Seine Manieren waren untadelig. Manchmal schon zu untadelig ...
    Kura wünschte sich oft, William würde sich ihr sinnlicher nähern, so wie Tiare es ständig versucht hatte. Natürlich würde sie ihn abwehren, aber sie würde den Puls der Erde spüren, wenn er ihr etwa die Hand auf die Hüfte legte. Den »Puls der Erde«, so nannte es Marama, wenn eine Frau dieses Kribbeln zwischen den Beinen empfand, dieses wohlige Aufsteigen von Wärme im Körper, das Herzklopfen der Erwartung. Kura hatte es bei Tiare nur selten empfunden, aber William löste es schon aus, wenn sein Bein unter dem Tisch versehentlich ihre Röcke streifte. Kura wünschte sich deutlichere Zeichen, aber William war immer korrekt. Mehr als eine flüchtige Berührung seiner Hand, wenn er ihr zum Beispiel aus dem Boot oder der Kutsche half, hatte er ihr bislang nicht gegönnt. Zumindest spürte Kura, dass diese Berührungen weder zufällig noch unschuldig waren. Auch William elektrisierten ihre Begegnungen, auch er brannte für sie, und Kura fachte das Feuer an, wo immer sie konnte.
    Dabei wäre sie erstaunt gewesen, hätte man ihr gesagt, wie sehr sie Elaine damit verletzte. Deren unglückliches Gesicht und ihre zunehmende Einsilbigkeit fielen ihr gar nicht auf. Allerdings hätte Kura ihre Bemühungen sicher nicht unterlassen, um die Cousine zu schonen. Kura dachte gar nicht an Elaine; die war nur ein weiteres, unmusikalisches und durchschnittliches Geschöpf, mit dem diese Erde bevölkert war, aber die

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