Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Antifouling-Anstrich verpassen konnte, damit sie wieder einsatzbereit war, wenn sie von seinem Posten in Norfolk zurückkehrten.
Simon hatte ihr ihre gesamte Garderobe ins Hotel gebracht, damit sie sich aussuchen konnte, was sie mitnehmen wollte und was eingelagert wurde. Sie wusste, dass Simon Recht hatte, was ihre Rückkehr anging. Im Stadthaus wie auch in Mandurah würde sie wieder nur in eine melancholische Stimmung verfallen oder, noch schlimmer, in tiefe Depressionen … wegen der Erinnerungen.
Es war besser, reinen Tisch zu machen, und wenn etwas Zeit vergangen war, konnten sie vielleicht dorthin zurückkehren. Sie hatte sich dazu entschlossen, die vor ihr liegenden Monate auf Norfolk als eine Art »Entwicklungszeit« zu betrachten, bis sie wieder zu hundert Prozent sie selbst war. Sie lächelte ihr Spiegelbild an. Gott sei Dank war ihr Haar wieder gewachsen. Sie hatte es zu einem gestuften Bob schneiden lassen, mit einem Halbpony, von dem die Friseuse behauptet hatte, dass er modern sei. Auf jeden Fall passte er zu ihrem herzförmigen Gesicht.
Alle Leute und die Freunde waren ungewöhnlich freundlich gewesen. Faith und Mandy vom Büro waren mit ihr ein paar Sommerkleider einkaufen gewesen, womöglich auch nur, um sie zu beschäftigen. David und Max luden sie zum Lunch ein und gaben sich große Mühe, ihr zu versichern, dass sie Juniorpartnerin bleiben würde und dass sie jederzeit zurückkommen konnte. Keith, Alison und ihre beiden Teenager Lisa und Andrew hatten sie jeden zweiten Abend zum Essen in ihr Haus am Kings Park eingeladen. Dadurch waren die Tage wie im Flug vergangen, und heute würde sie mit Simon von Perth, ihrem Geburtsort, aus zu einer entfernten Pazifikinsel fliegen, die, wie sich Alison oft genug beschwert hatte, höchstwahrscheinlich ein »gottverlassener Fleck im Ozean« war.
Sie betrachtete den Lauf des Swan River, dessen Wasser an einem ungewöhnlich bedeckten Tag grau schimmernd seinen gewundenen Weg zum Meer suchte. Im Hauptfahrwasser fuhren mehrere Wasserfahrzeuge entlang. Auf der gegenüberliegenden Seite erstreckten sich, so weit das Auge reichte, die südlichen Vorstädte von Perth.
Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Sie wandte sich um und sah Alison mit einem riesigen Koffer.
»Meine Güte, was ist denn da drin? Das Familiensilber? Oder nimmst du Sachen für ein paar Jahre mit?«, grollte sie, als sie den Behälter mit Schwung auf das große Bett warf.
»Heb dir keinen Bruch daran!«
»Klasse. Das sagst du mir jetzt! Nur gut, dass ich einen Arzt als Schwager habe. Vielleicht gibt er mir ja Rabatt auf die Behandlung.« Alison gab sich fröhlich, um die Tatsache zu überspielen, dass ihr der Abschied von Jessica schwerfiel, besonders so kurz vor Weihnachten. Sie würden sechs Monate getrennt sein. Diese Erkenntnis traf sie schlimmer als erwartet. Noch nie waren sie so lange getrennt gewesen, außer als Jessica in London gewesen war. Sie hatte geglaubt, sich mit der Trennung abgefunden zu haben, aber es gefiel ihr ganz und gar nicht.
»Es ist ja nicht für immer, Al«, sagte Jessica, die Gedanken ihrer großen Schwester erratend.
»Natürlich nicht.« Wieder diese aufgesetzte Fröhlichkeit. »Es wird dir guttun, wenn ich mal eine Zeit lang nicht an dir herummeckere.«
Jessicas Mundwinkel zuckten. Sie versuchte, nicht zu lächeln, weil Al sich bemühte, ernst zu sein. So lange sie denken konnte, war Alison ihr Halt im Leben gewesen, besonders nach dem plötzlichen Tod ihrer Mutter Sally Ahearne, als Jessica sechzehn Jahre alte gewesen war. Die fünf Jahre ältere Alison hatte das Kommando im Haushalt übernommen, die Buchführung, die Geschäftsessen ihres Vaters und die Rolle der Ersatzmutter für ihre kleine Schwester akzeptiert. Sie hatte Ratschläge erteilt, wenn Jessica sie brauch te oder darum bat – egal, ob sie sie wollte oder nicht – hatte sie in ihrem Jurastudium unterstützt und ebenso bei ihrer Hochzeit mit Simon und in ihrer Karriere. Obwohl sie sich sehr nahestanden, hatten sie ihre Auseinandersetzungen, sehr viele sogar. Bei Alisons tatkräftiger Persönlichkeit, die der ihres Vaters ähnelte, und Jessicas eigener Neigung dazu, sich auf die Hinterbeine zu stellen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, wurde das Leben im Haushalt der Ahearnes nie langweilig.
Plötzlich erinnerte sie sich an ein besonderes Ereignis … Sie hatte Hausarrest bekommen, weil sie zu spät nach Hause gekommen war, und Alison hatte entschieden, dass sie am
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