Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Wochenende nicht zu einer Party gehen durfte. Ihr lag viel daran, weil auch Mike Treloar, ein aufsteigender Football-Star der Aussie Rules, dort sein würde, und sie wusste, dass er sie mochte. Am Abend der Party war sie zwei Stockwerke die Regenrinne heruntergerutscht und war zur Party gegangen, auf der sie sich mit Mike blendend amüsiert hatte. Als sie dann zu Hause die Vordertür aufschließen wollte, musste sie feststellen, dass irgendjemand – zweifellos Alison – sowohl die Vorder- als auch die Hintertür verriegelt hatte.
Sie hatte überlegt, ob sie versuchen sollte, auf demselben Weg in ihr Zimmer zu klettern, wie sie es verlassen hatte, aber der Aufstieg erschien ihr weitaus schwieriger als der Abstieg. Schließlich hatte sie die Nacht in der Garage verbracht und versucht, im Sportwagen ihres Vaters, einem Jaguar XK120, einigermaßen gemütlich zu schlafen. Nicht zu empfehlen, wenn man wirklich schlafen will.
Es kam zum unausweichlichen Streit mit Alison, und ihr Vater musste schlichten, etwas, was er hasste. Denn wenn es darum ging, einem der Mädchen Disziplin beizubringen, versagte er meistens. Beide konnten ihn um den kleinen Finger wickeln, und Jessica kam mit einer geringfügigen Strafe davon, was Alison in Rage versetzte und dazu veranlasste, ihre Schwester tagelang zu ignorieren.
»Nun, du bist jetzt ein großes Mädchen. Ich bin sicher, du kommst zurecht«, meinte Alison. Sie tätschelte Jessica die Wange. »Werde mir nur nicht zur Eingeborenen.«
»Werde ich nicht, wenn du mir versprichst, uns in den Ferien zu besuchen«, entgegnete Jessica.
Alison seufzte. »Weißt du, wie lange man von hier nach Norfolk fliegt?«
»Ja, etwa elf Stunden. Du kannst den Nachtflug von Perth nehmen, dann bist du um sechs Uhr in Sydney, und gegen zehn geht ein Flug nach Norfolk. Aber schieb ja nicht die Entfernung als Entschuldigung vor«, warnte sie mit erhobenem Zeigefinger, »wo du doch jedes zweite Jahr fröhlich nach Cannes oder sonst wo in Europa fliegst. Außerdem weißt du, dass Keith und Lisa Geschichte lieben, und Andrew kann mit den Touristinnen flirten. Ihr würdet euch prächtig amüsieren.«
»Es würde dir ganz recht geschehen, wenn wir alle vier euch überfallen«, drohte Alison scherzhaft.
»Ostern wäre eine gute Gelegenheit.« Jessicas Augen blitzten, als sie ihre Schwester neckte. »Nicht zu heiß und nicht zu kalt.«
Alison hob die Augenbrauen. »Hhmmm.«
Die Tür zum Badezimmer ging auf, und Simon trat mit seinem Kulturbeutel heraus, den er in einen der kleineren Koffer steckte. »Ostern wäre eine gute Gelegenheit für was?«, erkundigte er sich.
»Für einen Besuch der Marcelles in Norfolk Island.«
»Gute Idee«, sagte Simon mit unbeweglichem Gesichtsausdruck und versuchte, begeistert zu klingen. Er kam mit Keith und den Kindern gut aus, doch gelegentlich geriet er mit Alison aneinander. Trotzdem … sie war Jessicas Schwester, und Ostern würde sie sie wahrscheinlich schon vermissen.
»Wir werden sehen.« Alison wollte sich nicht festlegen. »Nun, dann ruft mal besser an der Rezeption an, damit man eure Koffer runterbringt. Ihr …«, sie hielt inne, sah Jessica an und musste sich prompt räuspern, »ihr müsst euer Flugzeug erwischen.«
Die muffige, verbrauchte Luft in dem alten Häuschen ließ Jessica die Nase rümpfen, als sie Simon durch die Zimmer folgte. Das Dreisitzersofa mit dem gemusterten Damastbezug und die beiden nicht dazu passenden Sessel waren alt, und wenn sie tief einatmete, konnte sie den Geruch von Bienenwachs wahrnehmen. Alle Möbel waren, soweit sie sehen konnte, liebevoll gepflegt, wenn auch nach heutigem Standard unmodern. Die fleckigen Holzböden waren glänzend poliert und mit großen Flickenteppichen bedeckt, und im kombinierten Wohn-/Esszimmer stand ein riesiger Kamin aus handbearbeitetem Vulkangestein. Aus diesem Gestein bestand die ganze Insel, behauptete Simon. Rußflecken klebten an den Steinen, und obwohl es früh im Sommer war, war Holz darin aufgeschichtet, das nur noch angezündet werden musste.
Das Bad und die beiden Schlafzimmer waren sehr einfach eingerichtet. Im größeren Zimmer stand ein Doppelbett mit einer handgemachten Quilt-Decke und dazu passenden Kissen. Die Wände waren anscheinend bereits vor beträchtlicher Zeit in gedecktem Grau und Blau tapeziert worden. Am Fenster stand ein alter Schaukelstuhl, von dem aus man einen schönen Blick auf die dicht stehenden Bäume vor dem Haus hatte. Das einzige andere Möbelstück bestand
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