Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
Hingerty die Vordertür öffnete und sie ausschalt.
»Kommt herein, ihr beiden! Was ist denn das für ein unwürdiges Benehmen an meiner Vordertür?« Sie hatte sie vom Fenster aus beobachtet und erkannt, was da vor sich gegangen war. »Geht in den Salon und …« Sie machte eine dramatische Pause, bevor sie mit einem wissenden Lächeln fortfuhr: »Ich glaube, jetzt ist ein Glas Brandy zum Anstoßen ganz angebracht.«
Sarah benötigte in den folgenden acht Tagen ihre gesamten Fähigkeiten zum Organisieren und Arrangieren, sowie eine gehörige Portion Diplomatie, um durchzusetzen, dass sie und Will heiraten konnten, bevor die Raven's Wing auslief.
Seamus O'Toole drehte fast durch, als er hörte, dass sie fortgehen wollte. Ma Hingerty hatte fast ständig Tränen in den Augen, denn nach fast sieben Jahren war Sarah fast zu einem Familienmitglied geworden. Bridget weinte insgeheim, weil sie die beste Freundin verlor, die sie je gehabt hatte. Und Linus O'Keefe lief strahlend im Laden des Schiffsausrüsters herum, weil Sarah mit Seamus gesprochen hatte und ihn eindeutig als den besten Mann für ihre Nachfolge empfohlen hatte.
Auch Will war beschäftigt. Er musste dringend eine Koje für Sarahs Reise buchen. Das Beste, was er erringen konnte, war ein Bett in einer Sechs-Bett-Kabine, in der einige Dienstmädchen schliefen und eine ältliche Jungfer mit bescheidenen Mitteln, die auf dem Weg zu ihrem Bruder in Sydney war. Wohlhabendere Passagiere hatten Zweier-oder auch Einzelkabinen, die nur wenig größer als Wäscheschränke waren. Er hätte liebend gerne eine Kabine für sie allein gehabt, aber das überstieg die Mittel, die ihm zur Verfügung standen oder die er beschaffen konnte.
Will war kein sonderlich religiöser Mensch, aber er wusste, dass Sarah eine gläubige Katholikin war, und schaffte es mit einigen Schwierigkeiten, einen Priester zu besorgen, der sie trauen wollte, ohne dass die üblichen zwei Wochen vorher das Aufgebot verkündet wurde. Und so wurden sie drei Tage vor Abfahrt des Schiffes in Gegenwart von Sarahs engsten Freunden, Wills Mutter und Schwester und dreien seiner Kameraden getraut.
Der Soldat Elijah Waugh saß in der vordersten Reihe der alten Kirche und beobachtete, wie sich Braut und Bräutigam das Jawort gaben. Er war schon lange mit Will O'Riley befreundet, da sie schon in Indien zusammen gewesen waren und seit fünf Jahren im selben Regiment dienten. Unwillig schüttelte er den Kopf angesichts der unziemlichen Eile bei der Hochzeit seines Freundes. Heirat! Anders als Will machte er sich keine Illusionen über das, was der Priester als den heiligen Stand der Ehe bezeichnete. Heilig, du lieber Himmel! An eine einzige Frau gekettet sein und eine Schar schreiender Bälger großziehen und sich krummlegen, damit sie zu essen und Kleider hatten.
Oh ja, er hatte es gesehen, er war damit groß geworden, sozusagen. Er hatte gesehen, wie seine Mutter zu einem Schatten ihrer selbst wurde und ihre Gesundheit immer weiter dahinschwand, als sie ein Kind nach dem anderen bekam, bis sie so dürr war, dass sein Vater das Interesse an ihr verloren hatte. Was für seine Mutter nicht das Schlechteste gewesen war, musste Elijah zugeben, wenn er an die Grobheit seines Vaters dachte. Immerhin schlug er sie und die größeren Kinder nicht, wenn er sich betrank und sich anderweitig ein warmes Bett und ein paar bereitwillige Arme suchte. Als Elijah zehn Jahre alt war, war sie schlichtweg an Erschöpfung gestorben. In seinem Kiefer zuckte ein Muskel, als er sich an das ärmliche Begräbnis erinnerte, bei dem sich sein Vater fürchterlich betrunken hatte. Seine Mutter war in ihrem Grab noch nicht kalt gewesen, als sein Vater ihn in die Minen mit zur Arbeit genommen hatte.
Er sah, wie Will seine Braut küsste, und sein Blick maß die romantische Szene missbilligend. Sarah Flynn war ein hübsches Mädchen, daran bestand kein Zweifel. Aber er fragte sich, wie lange das wohl so bleiben würde, wenn erst die Kinder kamen.
Nein, Heirat war definitiv nichts für einen wie ihn. Er mochte das freie und leichte Leben ohne Verpflichtungen. Man sucht sich eine hübsche Frau, hat seinen Spaß und zieht weiter. Das war Elijahs Motto, seit er zu einem stämmigen Zwölfjährigen geworden war. Er war den Minen und dem Haus seines Vaters entflohen, ohne einen Blick zurückzuwerfen, und nach Cardiff fortgelaufen, wo er Arbeit und sexuelle Befriedigung als Zuhälter für ein Bordell an den Docks fand. Seine Reisen hatten ihn
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