Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
seit … Er konnte sich nicht daran erinnern, schon jemals so glücklich gewesen zu sein. Er hatte soeben die Frau getroffen, die er heiraten wollte, und er hatte zwei Wochen Zeit, sie davon zu überzeugen, dass er für Sarah Flynn der beste Ehemann der Welt sein würde. Er schluckte sein Erstaunen über diese rasche Entwicklung seiner Gefühle für eine Frau, die er eben erst getroffen hatte, herunter und erinnerte sich daran, dass seine Mutter ihm einmal gesagt hatte, dass es so etwas gab. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Auf der Straße sah Will einen Karren, den ein kräftiger junger Mann zog und der um die Ecke des Ladens verschwand. Da Will annahm, dass der Junge für O'Toole arbeitete, ging er auf den Karrenlenker zu, um von ihm eventuell ein paar Informationen über die hübsche Miss Flynn zu erhalten.
Nachdem er ihm ein Bier und ein Essen in der besten Taverne am Wasser versprochen hatte, im Bull's Head, wenn seine Schicht vorüber war, erklärte sich Linus O'Keefe bereit, dem jungen Unteroffizier alles über Miss Sarah Flynn zu erzählen.
Will machte es sich zur Gewohnheit, unter irgendeinem Vorwand täglich in den Laden des Schiffsausrüsters zu gehen, und tat damit aller Welt sein Interesse an Sarah Flynn kund. Am Sonntag saß er während der Messe hinter ihr und schaffte es, sie und Bridget Muir zu Ma Hingertys Pension zurück zu begleiten, wo er sich dank Mas romantischer Neigung eine Einladung zum Mittagessen verschaffen konnte. Nachdem er Sarah das Versprechen abgenommen hatte, am nächsten Tag nach der Arbeit mit ihm zu Abend zu essen, brachte er die beiden Frauen wieder zu O'Toole zurück, wo sie bis Sonnenuntergang arbeiteten.
Als Sarah sich den Hut richtete und ihre Handschuhe anzog, sah sie, wie Bridget sie von der Tür her ansah, ein wissendes Lächeln auf dem hübschen Gesicht.
»Du siehst bezaubernd aus, Sarah.« Bridget sparte nicht mit Lob und Bewunderung für ihre Freundin. Da sie seit drei Jahren in einem Raum zusammen wohnten, standen sie sich so nahe wie sonst nur Schwestern.
»Ich sehe, du trägst die Brosche deiner Mutter«, zwinkerte Bridget und konnte nicht widerstehen, sie zu necken: »Dann muss es ernst sein. Du trägst die Brosche doch nur zu besonderen Anlässen.«
Sarah wurde rot, leugnete es aber nicht. Sie betrachtete ihr Bild in dem kleinen Spiegel, schob ihr Haar zurecht und sah dann die Brosche an. Es war das einzig Wertvolle, das ihre Mutter ihr hinterlassen hatte, abgesehen von den wundervollen Erinnerungen an ein Leben mit der Familie und an unendliche Liebe. Sie bestand aus einer großen Perle, in Gold gefasst und von kleinen Zuchtperlen umgeben. Seit drei Generationen befand sie sich schon im Besitz der Familie Flynn, und wie schwer die Zeiten auch immer sein mochten, keine Frau der Flynn-Familie würde sich je davon trennen. Das außerordentlich schöne Schmuckstück kam aus Frankreich und passte gut zu den cremefarbenen Rändern aus Brüsseler Spitze an ihren Ärmelaufschlägen und am Ausschnitt ihres Kleides.
»Du magst den jungen Corporal wirklich, nicht wahr?«, fragte Bridget, während sie zusah, wie sich Sarah vorsichtig ein paar Tropfen Rosenwasser hinter die Ohren, auf den Hals und die Handgelenke tupfte.
Sarah dachte gewissenhaft über Bridgets Frage nach. Seit Tagen schon war sie außerstande, an irgendetwas oder irgendjemand anderen zu denken. Selbst Mr. O'Toole hatte ihre ungewöhnliche Gedankenlosigkeit bemerkt. Sie war zwar schon früher umworben worden, zumindest hatten ein oder zwei Jünglinge versucht, ihr den Hof zu machen, aber sie hatte sie zurückgewiesen, da sie sich kein bisschen zu ihnen hingezogen gefühlt hatte. Doch Will … Er rührte etwas in ihr an, ein tiefes, warmes, wunderbares Gefühl, das sie gleichzeitig verwirrte und entzückte und wegen seiner Intensität gelegentlich auch beängstigte. Sie hatte bislang nicht gewusst, dass Menschen zu so starken Gefühlen imstande waren.
»Ja, das stimmt, obwohl ich eigentlich glaube, dass es närrisch ist. Bald segelt er fort, und ich werde ihn jahrelang nicht sehen.« Sie dachte an ihren Bruder Paddy. »Vielleicht nie wieder.« Der plötzliche Gedanke, dass sie den jungen Soldaten nie wiedersehen könnte, ließ sie schwindlig werden, und in der Herzgegend spürte sie ein schmerzhaftes Ziehen. »O mein Gott.« Sie sah Bridget an, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich glaube, ich habe mich verliebt.«
Bridget küsste sie auf die Wange und umarmte sie. »Mach dir keine
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