Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
schließlich nach Dublin geführt, wo er im Alter von fünfzehn Jahren zum Militärdienst gezwungen wurde. Dort war er geblieben, anstatt zu desertieren, weil es ein gutes Geschäft gewesen war. Zum ersten Mal im Leben hatte er einen vollen Bauch, anständige Kleider und wurde auf Kosten der Königin untergebracht. Und obwohl der Sold lausig war, gab es doch auch einen gewissen Ausgleich … Er hatte stets genügend Münzen für ein oder zwei Mädchen, genug, um sein Verlangen zu stillen.
»Sarah, darf ich dir meinen Freund Elijah Waugh vorstellen? Wir sind seit Jahren im selben Regiment, nicht wahr, Elijah?«, stellte Will seiner jungen Braut seinen ältesten Freund vor.
»Ay, das sind wir, Will«, bestätigte Elijah und schüttelte Sarah höflich die Hand. »Ich gratuliere euch beiden.«
Dann gingen sie zu Wills Mutter und Schwester, was Elijah die Gelegenheit gab, ihnen nachzusehen, ohne dass ihn jemand dabei beobachtete. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er Sarahs Profil und ihrer wohlgeformten Gestalt nachblickte. Überraschenderweise verspürte er einen heftigen Stich von Eifersucht, als er sich vorstellte, welche Freuden Will in dieser Nacht in seinem Hochzeitsbett genießen würde. Er befeuchtete sich die Lippen mit der Zunge wie in Erwartung einer leckeren Köstlichkeit, denn sie sah aus, als ob sie eine leidenschaftliche Frau war, diese Sarah Flynn, jetzt Mrs. O'Riley. O ja, er kannte sich aus mit Frauen, und seinem Kameraden Will stand eine heiße Nacht bevor.
Plötzlich hatte er einen säuerlichen Geschmack im Mund, und der wachsende Neid ließ ihn sich abwenden. Zum Teufel mit Will und seiner Braut! Was er wollte, war ein Schluck Rum, beziehungsweise ein paar Schluck Rum und dann ein hübsches Mädchen unter ihm für eine lange, wilde Nacht. So entfernte er sich von der Hochzeitsgesellschaft und begab sich zu seiner Lieblingskneipe.
Bridget und Sarah verabschiedeten sich tränenreich auf der Gangway des Schiffes.
»Wirst du mir schreiben?«, bat Bridget und trocknete sich die Augen.
Sarah war klar, dass sie ihre beste und liebste Freundin verlor, was die Trennung für sie wie befürchtet sehr schmerzlich machte. Seit sie sich vor vier Jahren kennen gelernt hatten, hatten sie viel miteinander geteilt, nicht nur das enge Zimmer. Sie hatten Freuden und Leid erfahren, sich bei Heimweh gegenseitig getröstet und sich von ihren Träumen und Hoffnungen erzählt. Als sie sich jetzt von Bridget verabschiedete, in dem Wissen, sie nie wiederzusehen, dachte Sarah, es würde ihr ein Stück von ihrem Herzen herausgeschnitten und weggeworfen.
»Aber sicher, das weißt du doch. Ich werde so viel zu erzählen haben, da kann ich gar nicht anders«, erwiderte Sarah, die ebenfalls nur mit Mühe ihre Stimme unter Kontrolle brachte.
»Werde glücklich, Sarah, und ich wünsche dir ein langes, schönes Leben an dem Ort, den Will Sydney Town nennt.«
Sarahs Lächeln wurde breiter, als sie Will an Bord entdeckte, der seine Männer befehligte. In seiner Uniform sah er einfach großartig aus. »Oh, das werde ich, meine liebe Bridget, ganz bestimmt. Und ich werde auch ein paar Babys haben, nach und nach«, fügte sie, plötzlich heftig errötend, hinzu. Die physische Seite ihrer Ehe war eine wundervolle Erfahrung gewesen. Will war so zärtlich, geduldig und geschickt gewesen.
Ihr umherschweifender Blick glitt über die schlanke Kon tur der Raven's Wing . Will hatte gesagt, sie sei ein Clipper und nach einem Modell der Amerikaner gebaut. Er hat te auch gesagt, dass sie aufgrund ihrer Schnelligkeit auf der Zwölftausend-Seemeilen-Reise zur Kolonie New South Wales über einen Monat Zeit sparen würden. Ihre blauen Augen glitten über die Masten und die Takelage. Die Segel blieben noch eingerollt, bis der Kapitän den Befehl zum Ablegen geben würde. Etwas traurig fragte sie sich, ob Will und sie an Bord des Schiffes, auf dem es von Seglern, Soldaten und zahlenden Passagieren nur so wimmelte, gelegentlich auch mal ein paar Minuten für sich haben würden.
Sie wandte sich zu Bridget und umarmte sie lange. »Das wird ein großes Abenteuer, Bridget.«
»Ich weiß. Ich beneide dich sehr. Du bist so tapfer. Ich glaube nicht, dass ich den Mut hätte, so etwas zu tun.«
»Wir sind alle unterschiedlich mutig«, stellte Sarah weise fest. »Manchmal braucht es Mut, zu bleiben und auszuharren, wie es unsere Mütter getan haben.« Sie lächelte. »Und wenn einem die Liebe den Weg weist, dann ist man mutig genug, alles
Weitere Kostenlose Bücher