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Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)

Titel: Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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lange, doch sie waren so warmherzige, fürsorgliche Menschen, dass er wusste, dass ihr Mitleid mit den Schwierigkeiten seiner Frau ernst gemeint war. Und obwohl er lieber nicht zu sehr darauf eingehen wollte, war er zum Teil heilfroh darüber, das Problem an jemand anderen weitergeben zu können. Er redete sich obendrein ein, dass er seiner Frau viel zu nahestand, um sie objektiv beurteilen zu können, so wie Marcus es tun konnte.
    »Ich würde mich freuen, Ihnen helfen zu können«, sagte Marcus, nachdem Simon ihm seinen Vorschlag unterbreitet hatte. »Nan und ich müssen häufig an Jessica denken. Es wäre gut, wenn ich die Unterlagen über ihren Nervenzusammenbruch hätte sowie die Krankengeschichte ihrer Familie.«
    Simon zuckte bei Marcus' geschäftsmäßigem Ton zusammen. Nervenzusammenbruch. Krankengeschichte. Die Worte verursachten ihm fast Depressionen. Es war schließlich seine Frau, von der hier in so klinischen Begriffen gesprochen wurde. Nur ruhig. Du hast um seine Hilfe gebeten. Du brauchst sie. Du kannst es dir nicht leisten, seine Wortwahl zu kritisieren.
    »Natürlich. Ich werde Nikko bitten, die betreffenden Unterlagen ans Krankenhaus zu faxen, und bringe sie Ihnen dann morgen.«
    »Gut. Ich sollte sie lesen, bevor ich Jessica sehe.« Er sah Simon an. »Wie soll ich mich verhalten? Werden Sie ihr sagen, dass ich sie als Psychologe aufsuche, oder soll ich die Sache etwas unauffälliger angehen?«
    »Marcus, Jessica weiß, dass du als Psychologe praktiziert hast, und sie ist nicht dumm«, warf Nan ein. »Sobald du sie auf ihr Problem ansprichst, wird sie wissen, was los ist. Sag ihr die Wahrheit, dass du dir Sorgen um sie machst und gerne herausfinden möchtest, was mit ihr geschieht.«
    »Nan hat Recht«, stimmte Simon zu. »Jessicas größte Angst – auch wenn sie das noch nie offen zugegeben hat – ist, dass sie enden könnte wie ihr Großvater. Ich bin sicher, sie wird so gut wie möglich mit Ihnen zusammenarbeiten.«
    »Gut, Sie müssen nur einsehen, dass bei Störungen geistiger Natur eine Lösung oder Heilung nicht im Laufe von ein paar Tagen zustande kommen wird.«
    Marcus brachte Simon zum Auto und winkte ihm mit gemischten Gefühlen nach. Einerseits war er froh, einen offiziellen Grund zu haben, Jessica täglich zu sehen. Andererseits machte er sich Sorgen, dass ihr geistiger Zustand möglicherweise sehr ernst war.
     
    Sarah stand am Fußende des Bettes, blickte auf Jessicas schlafende Gestalt und die des Mannes neben ihr. Sein Name war Simon, sie hatte gehört, wie Jessica ihn so nannte, und sie wusste, dass er Arzt war. Er hatte Jessica einen Trank gegeben, aus dem sie nicht aufzuwecken war, was sie ziemlich ärgerte.
    Sie beide mussten noch so viel erreichen, und sie musste dieser Frau noch so viel sagen. Langsam verzog ein Lächeln ihre Lippen. Wenn sie sie nicht aufwecken konnte, dann musste sie ihr Ziel eben auf andere Weise erreichen.
    Sie würde Jessica ihre Geschichte durch ihre Träume erzählen …

13
     
    essica warf sich unruhig auf ihrem Bett hin und her, als die Bilder in ihrem Unterbewusstsein immer lebendiger wurden. Sie sah eine Frau, die ihr irgendwie bekannt vorkam, einen Brief auf einem dicken Blatt Papier schreiben, das wie eine Art Pergament aussah. Ihr Schreibgerät war, ja, eine Feder, die sie in ein Tintenfass tunkte. Im Schlaf kniff Jessica die Augen zusammen und versuchte an gestrengt, die Worte zu lesen.
     
    Norfolk Island, September 1853
     
    Liebe Bridget,
     
    Meggie und ich sind jetzt seit fast zwei Monaten an diesem Ort, und es war die längste Zeit meines Lebens. Viele Teile der Insel sind wunderschön (auch wenn wir uns nicht weit von der Siedlung Kingston wegwagen), aber die Not der Strafgefangenen und die Art und Weise, wie ihre Aufseher und die meisten Soldaten sie behandeln, bringt ständiges Elend über die Bewohner der Insel.
    Tiere werden im Allgemeinen besser behandelt als die Sträflinge, und man sagt, es sei nicht unüblich, dass sich ein Mann lieber das Leben nimmt – egal, ob er dabei seine Seele der ewigen Verdammnis anheimgibt –, als an diesem Ort weiterzuleben, den die meisten Menschen hier als die Hölle auf Erden bezeichnen.
    Meine Herrin, Mrs. Stewart, ist eine nette und verständnisvolle Frau, die Meggie sehr gern hat und zur Zeit wieder schwanger ist. Der gesamte Haushalt betet, dass sie diesmal ein gesundes Kind zur Welt bringen wird. Das Porträt, das ich vom Captain gezeichnet habe, hat ihr sehr gut gefallen, und sie sagt,

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