Das Lied der roten Steine: Australien-Saga (German Edition)
von hier fortgehen, meine ich. Gibt es nicht eine saftige Vertragsstrafe, wenn Sie ohne einen für den Aufsichtsrat triftigen Grund Ihren Vertrag mit dem Krankenhaus brechen?«
Simon rieb sich über das Kinn. »Vermutlich. Das steht sicher irgendwo im Kleingedruckten. Aber das wird mich nicht in den Ruin treiben.« Dennoch hasste er es, vertragsbrüchig zu werden. Er hatte sein Wort gegeben, und die Arbeit hier machte ihm wirklich Freude, auch wenn die berufliche Herausforderung längst nicht so hoch war wie in seiner Privatpraxis. Aber jeder würde erwarten, dass er das tat, was für Jessica das Beste war, nicht für ihn. Und wenn es Geld kostete, aus dem Vertrag auszusteigen, dann musste es eben sein. Jessica hatte genug Geld, es würde kein größeres Problem darstellen.
Doch dass Simon Norfolk Island verließ, passte ganz und gar nicht in Sues Pläne. Während er erzählt hatte, was mit Jessica geschah, hatte sie begonnen, alles in einem anderen Licht zu sehen. Ihre ursprüngliche Absicht war gewesen, Simon Informationen zu entlocken und, wenn möglich, sei nen Einfluss zu nutzen, um selbst anderswo eine bessere Stellung zu bekommen. Doch ohne es zu wissen, hatte er ihr eine bessere, kühnere Möglichkeit geboten. Simon war ein attraktiver Mann, und er hatte mehr verdient, als er von Jessica bekam. Sie zog ihn doch nur herunter und schränkte ihn ein. Was er brauchte war jemand, der etwas von den Schwierigkeiten der medizinischen Berufe verstand, jemand, der mit ihm zusammenarbeiten konnte, um gemeinsam hohe Ziele zu verwirklichen. Es überfiel sie fast wie eine göttliche Eingebung. Was er brauchte, war sie, Sue.
Die Ehe der Pearces war buchstäblich am Ende, besonders, da Jessicas psychische Probleme eher schlimmer als besser wurden. Wie schwer würde es demnach sein, ihr Simon völlig zu entfremden, und zwar nicht dadurch, dass sie die andere Frau schlecht machte, sondern durch Schlauheit und List? O ja, das würde sie schaffen. Sie wäre verrückt, wenn sie es nicht versuchen würde, und was auch immer Sue Levinski war, verrückt war sie nicht.
»Ich habe vielleicht die Lösung. Zumindest eine Alternative zu Ihrem Vorschlag«, sagte sie ruhig, als ob sie lange darüber nachgedacht hätte.
»Ich bin für jeden Vorschlag offen.«
»Marcus Hunter.«
»Marcus?« Simon runzelte die Stirn. »Wie sollte er uns helfen können?«
Sue lächelte ihn zuversichtlich an. »Bis vor sieben Jahren war er praktizierender klinischer Psychologe mit mindestens zehn Jahren Berufserfahrung. Nan hat mir erzählt, dass er eine Praxis in Christchurch hatte. Marcus könnte Jessica doch untersuchen, ihren Geisteszustand beurteilen, und danach sehen Sie weiter? Oder, wenn Ihnen das nicht zusagt, könnten wir es mit ein paar anderen Psychiatern aus unserer Kartei versuchen. Sie könnten jemanden aus Brisbane einfliegen lassen.«
»Marcus«, wiederholte Simon nachdenklich. »Aber er ist eigentlich ein Freund von uns, und er praktiziert nicht mehr. Es wäre doch unverschämt, ihn zu bitten.«
Sue persönlich traute Marcus nicht zu, den Job gut zu machen, aber was machte das schon aus? Ihr passte es eh weitaus besser, wenn er die Sache verschlimmerte. Sie zuckte die Schultern. »Vielleicht haben Sie Recht. Es war ja nur so ein Gedanke. Aber er kennt Jessica persönlich, und er war bei ihr, als die Sache auf dem Friedhof passiert ist und auch, als sie sich in Nans Haus die Hand zerschnitten hat.« Ihr Blick wurde dunkler, intensiver, und sie neigte sich vor, um kurz seine Hand zu berühren. »Simon, was haben Sie zu verlieren?«
»Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Marcus' Gutmütigkeit so ausnutzen sollte.«
»Aber natürlich«, erwiderte sie prompt, während sie aufstand. »Ich bin sicher, Sie werden tun, was für Jessica das Beste ist.« Es ärgerte sie, dass er nicht sofort auf ihre Idee angesprungen war, aber sie war der Meinung, dass sie genug zu diesem Thema gesagt hatte. Nun würde sie ihn allein ein wenig darüber brüten lassen.
Nachdenklich sah Simon Sue nach, als sie das Büro verließ.
Es hatte ihm gutgetan, mit ihr zu sprechen. Sue war eine mitfühlende, intelligente Frau. Selbst wenn Jessica sie nicht mochte, hatte sie ihm doch ein paar konstruktive Ideen geboten. Vielleicht, dachte er, mit den Fingerspitzen auf dem Schreibtisch trommelnd, würde er mit Marcus sprechen.
Seltsamerweise fiel es Simon ganz leicht, mit Marcus und Nan über Jessicas Probleme zu reden. Er kannte sie zwar beide noch nicht
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