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Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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empfand. »Das ist eine sehr ernstzunehmende Beschuldigung.«
    Bette Goodison machte einen letzten Zug an ihrer Zigarette und schnipste dann gekonnt den Stummel über den schmalen Gehweg in einen Gully. »Ich bin froh, daß Sie so denken. Es zeigt eine bessere Einstellung als die Ihrer Kollegen bei den Moorside-Morden.«
    »Es tut mir leid, daß meine Kollegen Ihnen da nichts Besseres geboten haben«, erwiderte Carol in besorgtem Ton. »Aber können Sie mir bitte mal sagen, wovon Sie sprechen?« Lieber Gott, laß das keine Wiederholung des Yorkshire-Ripper-Falls sein, bei dem der beste Freund des Mörders der Polizei mitgeteilt hatte, er halte ihn für den Ripper, aber die Polizei hatte dieser Aussage keine Bedeutung zugemessen.
    »Prince, davon rede ich.«
    Für einen wirren Augenblick hatte Carol die Vision, der kleine amerikanische Rockstar läge verscharrt im Garten eines Reihenhauses in Bradfield. Sie riß sich zusammen und fragte: »Prince?«
    »Unser Schäferhund. Sie hat sich dauernd über ihn beschwert, diese dämliche Angelica Thorpe. Und ganz ohne Grund. Der Hund hat ihr einen großen Dienst erwiesen. Wenn jemand die Zufahrt hinterm Garten entlangging, hat Prince einem das jedesmal gemeldet. Sie hätte ’ne Menge Geld ausgeben müssen für eine Alarmanlage, die so wirksam gewesen wär’ wie dieser Hund. Und dann, vor ein paar Monaten – August war’s, am Wochenende vor dem Bankfeiertag – da waren wir, Col und ich, bei der Arbeit, und als wir heimkamen, war Prince verschwunden. Er hätte aber auf gar keinen Fall aus dem Garten weglaufen können, und er wär’ auf jeden losgegangen, der versucht hätte, reinzukommen. Es gibt nur eine Möglichkeit, wie er verschwunden sein kann – er ist ermordet worden.« Mrs.Goodison stach zur Unterstreichung ihrer Worte Carol den Zeigefinger in die Brust. »Sie hat ihn vergiftet und dann weggeschafft, damit’s keinen Beweis gab. Sie ist eine Mörderin!«
    Normalerweise wäre Carol barfuß eine Meile gelaufen, um einer solchen Unterhaltung aus dem Weg zu gehen, aber sie war hinter Handy Andy her, und man mußte jede noch so merkwürdige Sache verfolgen. »Wieso sind Sie so sicher, daß es Mrs.Thorpe war?« fragte sie.
    »Ganz einfach, sie war die einzige, die sich über ihn beschwert hat. Und an dem Tag, als er verschwand, waren Col und ich arbeiten, sie aber war den ganzen Tag daheim. Ich weiß das genau, weil sie in dieser Woche Nachtschicht hatte. Und als wir bei ihr angeklopft und gefragt haben, ob sie was über sein Verschwinden wisse, hat sie ihre häßliche Visage nur zu ’nem breiten Lächeln verzogen. Ich hätte ihr am liebsten die Zähne eingeschlagen«, sagte Mrs.Goodison mit großem Nachdruck. »Und was werden Sie jetzt unternehmen?«
    »Ich fürchte, ohne Beweise können wir nicht viel tun«, antwortete Carol. »Sie sind also ganz sicher, daß Mrs.Thorpe allein lebt?«
    »Niemand würde mit einer häßlichen Kuh wie der zusammensein wollen. Sie kriegt nicht mal irgendwelche Besuche.«
    »Wissen Sie zufällig, was für einen Wagen sie fährt?« fragte Carol.
    »Einen von diesen verdammten Yuppie-Jeep-Dingern. Ich frage Sie, wer braucht schon mitten in Bradfield einen großen Jeep? Ist ja nicht so, daß wir an einem Feldweg wohnen, oder?«
    »Und wissen Sie zufällig, wo sie arbeitet?«
    »Nein, und es interessiert mich auch nicht.« Sie schaute auf die Uhr. »Meine Serie im Fernsehen fängt gerade an, wenn Sie mich jetzt entschuldigen.«
    Carol sah zu, wie sich die Tür hinter Bette Goodison schloß, und ein unangenehmer Verdacht stieg in ihr auf. Ehe sie zu Nummer zehn weitergehen konnte, piepste ihr Funkrufempfänger wie wild los. Don will mich dringend sprechen, dachte sie.
    »Morris!« rief sie. »Bringen Sie mich zu einem Telefon. Pronto!« Was in der Gregory Street noch zu entdecken war, konnte warten, Don aber ganz bestimmt nicht.
     
    Völlig erschöpft war Tony in ein alptraumhaftes, fiebriges Dösen hinübergeglitten. Ein Schwall kalten Wassers in sein Gesicht ließ seinen Kopf schmerzhaft nach hinten zucken und rief ihn in die qualvolle Wirklichkeit zurück. »Au!« stöhnte er auf.
    »Immer schön wach bleiben«, sagte Angelica.
    »Ich hatte recht, nicht wahr?« fragte Tony durch geschwollene Lippen. »Du hast Zeit gehabt, darüber nachzudenken, und du weißt jetzt, daß ich recht habe. Du willst, daß das Morden aufhört. Sie mußten sterben, sie hatten den Tod verdient. Sie haben dich im Stich gelassen, sie haben dich verraten, sie

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