Das Lied der Sirenen
Serienmörders betrachten?« fragte ein junger Mann und hielt sein Mikrophon vor Brandons Gesicht.
»Wir untersuchen die Möglichkeit, daß alle vier Morde auf das Konto eines einzigen Täters gehen könnten, ja.«
Cross machte den Eindruck, als wollte er auf jemanden einschlagen. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt und die Augenbrauen so tief heruntergezogen, daß er wohl nur durch einen schmalen Schlitz sehen konnte. »Wobei das in dieser Phase der Ermittlungen nur eine vage Annahme ist«, knurrte er wütend.
Penny zeigte sich wieder einmal als Wortführerin der Opposition, indem sie nachhakte. »Wie wird das den Ansatz Ihrer Untersuchungen beeinflussen, Mr.Brandon?«
»Von jetzt an werden wir die Untersuchung der bisherigen drei Mordfälle und des heute hinzugekommenen zusammenfassen und zur Aufklärung ein gemeinsames Sonderkommando bilden«, antwortete Brandon. »Wir werden dabei das computergestützte Fahndungssystem des Innenministeriums in vollem Umfang nutzen und alle verfügbaren Daten analysieren, und wir sind zuversichtlich, daß wir damit auf neue Spuren stoßen.« Brandons sorgenvoller Gesichtsausdruck strafte den Optimismus in seiner Stimme Lügen.
Carols Atem ging schneller, und sie murmelte: »Sehr schön, dein Wort in Gottes Ohr!«
»Haben Sie nicht zu viel Zeit verstreichen lassen? Hat der Mörder nicht inzwischen einen großen Vorsprung, weil Sie nicht wahrhaben wollten, daß es sich um einen Serienmörder handelt?« kam eine zornige Stimme aus den hinteren Reihen der Meute.
Brandon hob die Schultern, finster dreinschauend. »Wir sind Polizisten, keine Hellseher. Wir wollen nicht den Ereignissen voraus ins Blaue hinein theoretisieren. Seien Sie versichert, wir werden alles, was in unserer Macht steht, tun, um diesen Killer so schnell wie möglich zu fassen und vor Gericht zu bringen.«
»Werden Sie einen Psychologen einsetzen, der eine Profilanalyse des Verbrechers erstellt?« Das war wieder Penny Burgess.
Tom Cross warf Tony einen haßerfüllten Blick zu.
Brandon lächelte. »Das war im Moment alles, was wir Ihnen sagen können, Ladies und Gentlemen. Sie erhalten später eine zusammenfassende Erklärung von unserer Presseabteilung. Und jetzt bitten wir Sie um Verständnis, wir haben eine ganze Menge Arbeit vor uns.« Er nickte den Reportern wohlwollend zu, faßte Cross fest am Ellbogen und führte ihn zurück in die Gasse. Cross’ Rücken war steif vor Zorn. Carol und Tony folgten ihnen in einigen Schritten Abstand. Noch einmal drang Penny Burgess’ Stimme hinter ihnen her. »Inspector Jordan, wer ist der neue Mann da bei Ihnen?«
»Mein Gott, diese Frau läßt wirklich nichts unversucht«, murmelte Carol.
»Ich gehe ihr dann wohl besser aus dem Weg«, sagte Tony. »Wenn mein Name auf den Titelseiten der Zeitungen erscheint, könnte das für mich ausgesprochen gesundheitsgefährdend sein.«
Carol blieb stehen. »Sie meinen, Sie könnten dann ein Ziel für den Killer werden?«
Tony grinste. »Nein, nein. Ich meine, Ihr Superintendent würde einen Schlaganfall kriegen.«
Der unwiderstehliche Drang, ebenfalls zu grinsen, überkam Carol. Dieser Mann war nicht so wie die anderen vom Innenministerium, die sie bisher kennengelernt hatte. Er hatte nicht nur Sinn für Humor, es machte ihm auch nichts aus, frei von der Leber weg zu reden. Und doch gehörte er letztlich in die Kategorie der Männer, die ihre Freundin Lucy als »ein wenig in sich gekehrt« bezeichnete. Jedenfalls schien er der erste interessante Mann zu sein, dem sie im Dienst nach langer, langer Zeit wieder einmal begegnete. »Sie könnten recht haben«, war alles, was sie sagte, und sie schaffte es, ihre Worte so unverbindlich klingen zu lassen, daß man ihr sie nicht als illoyal gegenüber ihrem Vorgesetzten auszulegen vermochte.
Sie kamen gerade noch rechtzeitig um die Ecke der Gasse, um Tom Cross auf Brandon einreden zu hören. »Bei allem Respekt, den ich Ihnen schulde, Sir. Sie haben gerade allem widersprochen, was ich diesen Armleuchtern von der Presse von Anfang an gesagt habe.«
»Es ist Zeit für einen neuen Ansatz, Tom«, entgegnete Brandon kühl.
»Warum diskutieren Sie das dann nicht mit mir im Büro, statt mich vor dieser Pressemeute als sturen Dickschädel hinzustellen? Vom Eindruck auf unsere Männer gar nicht zu reden.« Cross beugte sich streitlustig vor. Seine rechte Hand fuhr hoch, und es sah so aus, als wollte er den ausgestreckten Zeigefinger in Brandons Brust bohren. Aber der gesunde
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