Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied der Sirenen

Das Lied der Sirenen

Titel: Das Lied der Sirenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
Vom Netzwerk:
Stahlwand, rollte dann auf dem Boden hin und her, und weißer Schaum und braunes Bier spritzten aus der Öffnung. Tony ging in die Hocke, senkte den Kopf und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Heute abend, angesichts des Vorhabens, in die Tiefen der Alpträume eines anderen Menschen vorzudringen, wollte er auf keinen Fall der unvermeidbaren Konfrontation mit seiner eigenen Schwäche ausgesetzt werden, die diese Anrufe jedesmal zur Folge hatten. Das Telefon klingelte wieder, aber er blieb reglos hocken, die Augen zukneifend. Als der Anrufbeantworter sich einschaltete, legte der Anrufer auf. »Miststück«, murmelte Tony wütend. »Verdammtes Miststück.«

[home]
Auf 3 ½-Zoll-Diskette, Beschriftung: Backup. 007 ;
Datei Love 003 .doc
    Wenn meine Nachbarn morgens zur Arbeit fahren, lassen sie ihren Schäferhund im Garten hinter dem Haus frei herumlaufen. Er rennt den ganzen Tag über rastlos hin und her, dabei stets dieselbe Strecke über den Asphaltpfad entlang des Zauns zurücklegend, und er tut das mit dem wachsamen Fleiß eines Gefängniswärters, der seine Arbeit gern verrichtet. Er ist kräftig gebaut und hat ein schwarzbraunes, zottiges Fell. Wenn jemand einen der Gärten links und rechts betritt, bellt er los, und zwar mit einer langgezogenen, aus der Tiefe der Kehle kommenden Kakophonie, die meistens viel länger andauert als die vermeintliche Gefahr für sein Territorium. Kommen die Müllmänner in die Gasse hinter den Gärten und leeren unsere Tonnen, wird der Hund geradezu hysterisch, stellt sich auf die Hinterbeine und kratzt wie wild mit den Vorderpfoten an dem schweren Holztor. Ich habe ihn vom Fenster meines hinteren Schlafzimmers aus beobachtet. Er ist aufgerichtet fast so groß wie das Tor selbst. Wirklich perfekt geeignet.
     
    Am nächsten Montagmorgen kaufte ich einige Pfund Steak und schnitt das Fleisch in Würfel, in der Größe, wie sie in den meisten Rezepten vorgeschrieben sind. Dann machte ich einen kleinen Schnitt in jeden Würfel und steckte eine von den Beruhigungspillen, die mein Arzt meint, mir verschreiben zu müssen, hinein. Ich habe ihn nie darum gebeten und sie auch nie genommen, aber ich hatte das Gefühl, sie könnten mir vielleicht eines Tages noch einmal nützlich sein.
    Ich ging aus der Hintertür und freute mich über die sofort einsetzende Bellsalve des Hundes. Ich hatte allen Grund zur Freude – würde es doch das letzte Mal sein, daß ich sein Gebell über mich ergehen lassen mußte. Ich steckte die Hand in die Schüssel mit dem feuchten Fleisch, seine kühle schlüpfrige Konsistenz genießend. Dann warf ich es, eine Handvoll nach der anderen, über den Zaun. Anschließend kehrte ich ins Haus zurück, spülte das Geschirr und setzte mich danach an meinen Computer im Arbeitszimmer im ersten Stock, von wo ich ebenfalls einen guten Ausblick auf den Nachbargarten mit dem Hund hatte. Ich tauchte in die atmosphärische Welt von Darkseed ein; das Computerspiel dämpfte mit seiner romantischen, makabren Unterwelt-Szenerie, die ich inzwischen so gut kannte, meine Aufregung. Obwohl ich mich in das Spiel vertiefte, konnte ich nicht anders, als alle paar Minuten aus dem Fenster zu sehen. Nach einiger Zeit sank der Hund auf den Boden, und die Zunge hing weit aus seinem Maul. Ich klickte mich aus dem Spiel aus und schaute durchs Fernglas. Er schien noch zu atmen, bewegte sich aber nicht. Ich lief nach unten, holte die Reisetasche, die ich vorher schon gepackt hatte, stieg in den Jeep und fuhr rückwärts in die Gasse hinter den Gärten, bis die Hecktür des Wagens sich auf Höhe des Gartentors des Nachbargrundstücks befand. Dann stellte ich den Motor ab. Stille. Ich konnte eine gewisse selbstgefällige Genugtuung nicht unterdrücken, als ich mein bereitgelegtes Stemmeisen ergriff und aus dem Wagen sprang. Es dauerte nur Sekunden, bis ich das Tor aufgehebelt hatte. Als es aufsprang, sah ich, daß der Hund sich nicht bewegt hatte. Ich kniete mich neben ihn, stopfte die Zunge zurück in sein Maul und umwickelte die zusammengedrückte Schnauze mit Klebeband. Dann fesselte ich seine Vorder- und Hinterpfoten und trug ihn zum Jeep. Er war schwer, aber ich halte mich in guter körperlicher Verfassung, und so bereitete es keine Schwierigkeiten, ihn auf die Ladefläche zu schieben. Als wir bei der Farm ankamen, atmete er leise röchelnd, aber noch war kein Aufflackern von Bewußtsein zu erkennen, selbst als ich mit dem Daumen seine Augenlider hochschob. Ich zerrte ihn in eine Schubkarre, die

Weitere Kostenlose Bücher